Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
auseinander. Und so einen Boiler habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.«
Prüfend musterte sie ihn, als wollte sie seine Verlässlichkeit ergründen. Außerdem schien sie zu überlegen, warum jemand ein T-Shirt trug, das seine inneren Organe zusammenpresste. »Also meinen Sie …«
»Alles muss ersetzt werden. Am besten wäre es, Sie würden für vierzehn Tage ausziehen, dann schaffe ich’s in einem Zug.«
»Ausgeschlossen.« Tante Lyd öffnete eine Packung Katzenfutter, schüttelte den Inhalt auf eine Untertasse und stellte sie für Mr. Bits auf den Boden. »Wohin sollen wir denn ziehen? Können Sie’s nicht etappenweise machen?«
Jim pfiff durch die Zähne und zerzauste sein Haar, bis es büschelweise zu Berge stand. Eine Hand auf der Arbeitsfläche, trat er von einem Fuß auf den anderen. »Das würde länger dauern. Und es wäre teurer.«
»Nicht so teuer wie eine Unterkunft für vier Personen, die ich kurzfristig finden müsste«, erwiderte sie in entschiedenem Ton. »Die Hälfte meiner zahlenden Gäste ist schon ausgezogen. Sie werden wohl oder übel in unserer Anwesenheit arbeiten müssen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Schmerzlich rieb er sein Kinn und schüttelte wieder den Kopf, als würde er ein ungeheures persönliches Opfer bringen, wenn er den Job unter diesen Bedingungen akzeptierte. »Wenn Sie’s sagen, Lydia …«, murmelte er und schenkte ihr ein unverschämtes Grinsen.
Ich verdrehte die Augen. Enttäuschte ihn dieser Auftrag, der ihm ein Vermögen einbringen würde? Wenn er Tante Lyds gesamtes Installationssystem erneuerte, konnte er sich für den Rest des Jahres enge T-Shirts und billige Strähnen leisten.
Doch sie lächelte nur. »Ich brauche noch diese Woche einen Kostenvoranschlag, Jim.« Unglaublich – ließ sie sich etwa von einem angeberischen Installateur umgarnen? Diesen Mann hatte ich auf Anhieb als unpassend identifiziert. Und meine Tante und Eleanor schmachteten ihn wegen seiner Muskeln an!
Ich floh in mein Zimmer. Aber das ständige Hämmern hallte durch das ganze Haus. Ich konnte weder Radio hören noch mich auf ein Buch konzentrieren. Also beschloss ich mir die Zeit in Clapham zu vertreiben.
Kurz vor meiner Geburt war Tante Lyd ins Haus Nummer 32 gezogen. Damals wurde der Elgin Square, jetzt mit hübschen Kirschbäumen und Blumenbeeten geschmückt, nachts von schlafenden Obdachlosen und tagsüber von Drogendealern bevölkert. South London hatte damals einen sehr schlechten Ruf. Wahrscheinlich fand meine Tante diese Gegend gerade deshalb reizvoll. Sie hielt sich gern für das schwarze Schaf der Familie, obwohl Mum überaus stolz war auf ihre Schwester, die Schauspielerin. Wie man allerdings zugeben musste, hatte Tante Lyd den Höhepunkt ihres Ruhms bereits in den Achtzigerjahren erreicht. Zusammen mit der Sexbombe der Siebziger, Linda Ellery, war sie eine der streitlustigen Schwestern Destiny und Angel in der Fernsehserie Diese Devereux Girls gewesen.
Drei Jahre lang hatten sie, die Schultern dick gepolstert, in den wackeligen Kulissen vom »Hauptquartier« der Devereux Corporation gezickt und gegeneinander intrigiert. Nach dem Tod des Familienpatriarchen Daddy Devereux bezwangen sie ihre Trauer und kämpften um die Gunst ihrer kaltschnäuzigen, an den Rollstuhl gefesselten Mutter, Ma genannt. Sie stahlen einander die Ehemänner und tauschten ihre Bettgespielen aus, wehrten sich gegen feindliche Übernahmen durch andere Firmen und änderten mit krimineller Energie diverse Testamente. Dabei gaben sie Texte von sich wie: »In einem Weinglas wirst du Mas Liebe nicht finden.« Oder: »Unglaublich, dass er das Krematorium überlebt hat!« Doch es war die legendäre Schlammschlacht an Daddy Devereux’ Grab gewesen – mit unterschwelligen inzestuös-lesbischen Botschaften –, durch die Lydia und Linda in der letzten Staffel der Serie die Herzen der Nation gewonnen hatten. Abgesehen von gelegentlichen Werbespots war Tante Lyd seither nicht mehr als Schauspielerin aktiv. Aber wenn man die Männer einer gewissen Generation traf, musste man nur den Namen Lydia Bell erwähnen, und prompt verschleierten sich ihre Augen in liebevoller Erinnerung.
In einer ihrer romantischen Phasen vermutete Mum einmal, einer von Lydias Bewunderern müsse ihr das Haus gekauft haben, vielleicht ein reicher verheirateter Mann, zur Diskretion verpflichtet. Die Vorstellung, dass jemand seiner Geliebten ein Haus mit sieben verkommenen Einzimmerapartments und einer
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