Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Straßenlaterne.
»Ständig«, antwortete er mit einem abwesenden Lächeln, als ob er sich zurückerinnerte. »Meinen Vater hat das fast wahnsinnig gemacht.«
»Dann mach doch mal lauter.« Ich setzte mich neben ihn und lehnte mich gegen die Sofakante.
Dad räusperte sich, holte ein Taschentuch aus der Hosentasche und hustete hinein. Sorgfältig zusammengefaltet steckteer es wieder weg. »Du musst dir das nicht antun«, wehrte erlächelnd ab. »Ich weiß doch, dass das nicht so ganz dein Stil ist.«
»Gefällt mir aber«, protestierte ich. Und das stimmte auch – der Text war fast wie ein Gedicht, mit einer Tiefe, die den Werken der Bentley Boys ganz sicher abging. »Erzählst du mir was über dieses Lied?«
Er lehnte sich ebenfalls an das Sofa, so wie ich, und hörte einen Moment einfach nur zu. »Das Lied hatte mir schon immer gefallen, aber es gefiel mir noch besser, seit ich deine Mutter kannte«, sagte er und ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. »Es heißt ›For a Dancer‹.«
Das fand ich schön und wir saßen einfach da, mein Vater und ich, während es draußen immer dunkler wurde, und hörten die Musik, die er gehört hatte, als er in meinem Alter war. Ich wusste, dass der Moment nicht lange währen dürfte – meine Mutter, Warren und Gelsey würden bald nach Hause kommen und jede Menge Lärm, Neuigkeiten und Geschäftigkeit mitbringen. Aber jetzt waren hier nur mein Vater und ich – und ein Augenblick, den ich nicht festzuhalten versuchte, sondern einfach geschehen ließ, indem ich nur neben ihm saß und mit ihm ein Lied anhörte, während die Schallplatte sich drehte und drehte und die Musik weiterging.
Kapitel 31
Der Unabhängigkeitstag war sonnig und wolkenlos. Da der4. Juli dieses Jahr auf einen Samstag fiel, war es am Strand brechend voll. Lucy, Elliot und ich hatten alle Hände voll zu tun, und gegen Mittag war das dreifarbige Eis in Raketenform komplett ausverkauft. Sogar Fred war da, stand allerdings immerzu im Weg herum und wollte eigentlich nur wieder raus zu seinen Fischen. Doch als mitten im größten Kundenansturm die Eismaschine ihren Geist aufgab, war es doch ganz gut, dass er da war, denn er konnte sie als Einziger reparieren.
Meine Mutter hatte in letzter Minute beschlossen, die Nachbarn zu einer Grillparty einzuladen. Danach wollten wir alle zusammen zum Steg gehen und dort das Feuerwerk anschauen. Ich hatte den Auftrag bekommen, für den Abend einzukaufen, und konnte es gar nicht erwarten, bis endlich Feierabend war. Allerdings wurde es fast halb sechs, bis wir die endlose Schlange von Leuten fertig bedient hatten, die nach Pommes, Getränken und – wie ungeeignet für den Strand – Hamburgern anstanden. Als wir den Imbiss endlich zumachten, erinnerte ich Lucy an die Grillparty, und als Elliot hörte, dass Lucy vielleicht kommen wollte, lud er sich kurzerhand selber ein. Da ja mehr Leute bekanntlich auch mehr Spaß brachten, fragte ich Fred, ob er auch kommen wollte. Der bedankte sich zwar, sagte aber nicht fest zu. Dann lud ich auch noch Leland ein, der allerdings mit Bedauern ablehnte, da er die Pyrotechniker unterstützen musste, die das Feuerwerk mitten auf dem See veranstalteten.
»Die brauchen einen Rettungsschwimmer«, erklärte er, alsich am Strandeingang mein Fahrrad aufschloss. »Falls jemand’ne Rakete abkriegt oder beim Zünden ins Wasser fällt oder so was.«
Das klang in meinen Ohren alles andere als beruhigend und ich riet ihm, auf sich aufzupassen. Dann radelte ich zu Hensons und kaufte ihren kompletten Vorrat an Maiskolben auf, in der Hoffnung, dass das für die noch etwas unklare Anzahl von Gästen reichen würde. Von dort aus schob ich mein Rad zur Bäckerei und äugte durchs Fenster hinein, weil ich Henry wenigstens kurz sehen wollte. Aber im Laden herrschte so großer Andrang, dass er mir zwar kurz zuwinkte, aber ansonsten so gestresst aussah, dass ich ihn lieber nicht stören wollte.
Also stieg ich auf mein Rad und fuhr allein nach Hause. Ich spürte den Wind in den Haaren und genoss den aus den meisten Gärten dringenden Grillduft. Die Teufelssenke schreckte mich längst nicht mehr – erst als ich den Berg hinuntergejagt und auf der anderen Seite wieder oben angekommen war, sah ich mich um und staunte insgeheim über mich.
Zu Hause angekommen lehnte ich mein Fahrrad an die Eingangstreppe und beeilte mich, unter die Dusche zu kommen, damit ich nicht mehr nach Frittierfett und der Limonade roch, die ich mir versehentlich über die
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