Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
miteinander klar. Fred tauchte tatsächlich auf und brachte als Begleitung Jillian mit. Außerdem hatte er zwei Wolfsbarsche dabei, die mein Vater mit auf den Grill legte. Als alle seinen Fang in den höchsten Tönen lobten, sah Freds Gesicht noch röter aus als sonst. Lucy wurde sofort bei ihrem Erscheinen von Nora und Gelsey in Beschlag genommen. Sie musste am Rand der Wiese eine spontane Gymnastikstunde abhalten und ihnen zeigen, wie man die Brücke richtig hinkriegt. Elliot, kriegte sich gar nicht wieder ein, als er erfuhr, dass Jeff von Beruf Drehbuchautor war. Sie stellten fest, dass sie beide total auf Science-Fiction-Filme standen, und redeten fast den ganzen Abend miteinander. Mom hatte ein paar Stühle auf den Rasen gestellt und wich Dad, der neben Fred saß und sich über irgendwas mit ihm amüsierte, nicht von der Seite. Davy versuchte dem Hund – erfolglos – das Apportieren beizubringen, der trotzdem begeistert bei der Sache war.
Warren und Wendy unterhielten sich mit Kim, und ich gesellte mich zu ihnen. »Das ist ja so ein spannendes Thema«, sagte Kim gerade. Mir fiel auf, dass Wendy ausgesprochen patriotisch aussah. Sie trug ein rot-weiß gestreiftes Shirt, dazu blaue Shorts, und in den Haaren hatte sie ein rotes Band. »In dem Pilotfilm, an dem wir gerade arbeiten, wird auf jeden Fall ein Zootechniker oder Tierarzt vorkommen«, fügte Kim noch hinzu.
»Wendy wird Tierärztin«, sagte Warren und ich beobachtete fasziniert, wie er das Mädchen neben sich anstrahlte. Er war nicht wiederzuerkennen.
»Na ja, immer mit der Ruhe«, lachte Wendy und wurde ein bisschen rot. »Im Herbst fange ich gerade mal an zu studieren.«
»Aber ihr müsstet sie mal im Laden erleben«, schwärmte er, als ob Wendy bei Kim vorsprechen wollte und er sie von ihrer Großartigkeit überzeugen müsste. »Sie kann unglaublich gut mit Tieren umgehen.«
»Kannst du ihm nicht ein bisschen auf die Sprünge helfen?«, fragte ich Wendy und zeigte in Richtung Davy. Denn während dieser den Stock warf, rannte Murphy immer im Kreis um ihn herum. Dann sah er dem Stock hinterher, wie er über die Wiese flog, und sprang wieder an Davy hoch. Den eigentlichen Zweck der Übung kapierte er überhaupt nicht.
Wendy schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, entgegnete sie lächelnd. Überhaupt lächelte sie an dem Abend sehr viel und Warren hörte damit gar nicht mehr auf. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass mein Bruder so viele Zähne hatte.
»Auf jeden Fall sehr beeindruckend«, sagte Kim und trank einen Schluck Wein. »Wenn wir die Serie zum Laufen bringen, müssen wir dich unbedingt als Beraterin engagieren.«
Wendys Gesicht nahm in etwa die Farbe ihres Stirnbands an. »Oh, ich weiß nicht, ob ich da eine große Hilfe wäre«, murmelte sie.
»Sie ist immer so bescheiden«, sagte Warren. Vorsichtig legte er ihr den Arm um die Schultern, als ob er sich erst noch daran gewöhnen müsste. »Sie weiß echt alles über Tiere. Erzähl doch noch mal die Sache von gestern. Mit den Elefanten.«
»Oh«, sagte Wendy. »Tja, also Warren und ich haben uns …« Sie machte eine Pause und griff nach der Hand meines Bruders, die auf ihrer Schulter lag. Nachdem Warren aufmunternd ihre Hand gedrückt hatte, fuhr sie fort: »… über den Tod unterhalten.« Sie sah ihn kurz an und wandte sich dann wieder an Kim. »Und da hab ich ihm erzählt, dass es bei Tieren auch so was wie Trauerrituale und Beerdigungen gibt … Das ist also nichts rein Menschliches.«
»Tatsächlich?«, fragte Kim interessiert. »Genau das sind die Sachen, die wunderbar in unsere Sendung passen würden. Was für Rituale zum Beispiel?«
Wendy begann zu erzählen, von Lamas, die an gebrochenem Herzen sterben; von Elefanten, die ihre toten Jungen versuchen wegzutragen; von Gorillas, die in den Nestern ihrer toten Elterntiere schlafen und die Nahrungsaufnahme verweigern. Ich versuchte mit einem Ohr zuzuhören und nebenbei nachzudenken. Erstens darüber, dass mein Bruder ganz offensichtlich jemanden gefunden hatte, der genauso fasziniert war von Faktenwissen wie er und das auch gerne mit anderen teilte. Und zweitens darüber, dass Warren mit Wendy über den Tod reden konnte – also sprach er mit ihr sicher auch über Dad und wie es ihm damit ging. Ich musste daran denken, wie oft Lucy mich gefragt hatte, ob ich darüber reden wollte, oder wie oft Henry von mir wissen wollte, wie es zu Hause lief – und wie oft ich mich dem entzogen hatte, indem ich bei Lucy
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