Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
das Thema wechselte und Henry einfach küsste. Ich war immer davon ausgegangen, dass es bei Warren genauso war, und fühlte mich jetzt fast ein bisschen verraten – als ober eine stillschweigende Vereinbarung zwischen uns gebrochen hatte.
Kim wollte gerade von Wendy wissen, ob Tierärzte üblicherweise über ihrer Praxis wohnten – das gehörte anscheinend zum Grundgerüst der Sendung, genauso wie eine exzentrische Empfangsdame. In diesem Moment zischte es in der Ferne, und ich schaute auf den See. Es war die erste Rakete des Feuerwerks, die wie ein Komet über den Abendhimmel schoss, mit lautem Krachen explodierte und dann rot, weiß und blau aufleuchtete. Die Gäste in unserem Garten klatschten Beifall und gingen dann zusammen hinunter zum Steg, von wo man das Feuerwerk am besten beobachten konnte.
Vierzehn Leute und ein Hund waren zwar ein bisschen viel für unseren Steg, aber wir rückten dicht zusammen und hatten uns einigermaßen positioniert, als beinahe direkt über uns die nächste Rakete aufleuchtete.
Ich ließ mich ganz hinten nieder, in der Nähe des Stuhls, den meine Mutter für Dad mitgebracht hatte, und schaute mich noch einmal um, ob Henry inzwischen nach Hause gekommen war, aber Fehlanzeige. Wie lange er in der Bäckerei zu tun hatte, war unklar, und was die Überraschung anging, wusste ich nur, dass sie nach dem Feuerwerk stattfinden sollte. Nachdem ich mich ein paar Mal vergeblich nach ihm umgesehen hatte, gab ich es schließlich auf und beschloss, mich ganz auf das Spektakel zu konzentrieren. Seit ein paar Jahren hatte ich kein Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag mehr gesehen, weil ich entweder im Ausland gewesen war oder gerade versucht hatte, eine Fremdsprache zu lernen. Vielleicht war das ja der Grund, weshalb es mich diesmal so beeindruckte. Auf jeden Fall mehr als bei unserem letzten Aufenthalt hier, soweit ich mich erinnern konnte.
Ich legte den Kopf in den Nacken und genoss die explodierenden Lichter und Farben, die den Himmel überzogen und sich auf der Wasseroberfläche spiegelten. Nach ein paar besonders spektakulären Effekten applaudierten die Leute auf dem Steg und der Hund kam panisch auf mich zugerast.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Davy, der ihn gehalten hatte. Hastig packte ich Murphy, damit er nicht ins Wasser fiel – seine Schwimmkünste wollte ich lieber nicht auf die Probe stellen –, und nahm ihn auf den Arm. Dabei merkte ich, dass er am ganzen Körper zitterte. »Bestimmt hat er Angst vor dem Lärm.«
»Ich bring ihn ins Haus«, sagte ich und stand auf.
»Danke, Kleines«, sagte Dad und streichelte dem Hund im Vorbeigehen eine herunterhängende Pfote. »Er hat ja schließlich keine Ahnung, was los ist. Der Arme muss denken, er ist in ein Kriegsgebiet geraten.«
»Hunde haben ungeheuer sensible Ohren«, hörte ich Wendy am anderen Ende des Stegs sagen. »Sie hören alles zehn bis zwanzig Mal lauter als wir.«
Ich ging in Richtung Haus, wobei der Hund bei jedem Kracher in meinen Armen zusammenzuckte. Mein Vater hatte sicher recht – wenn einem keiner erklären konnte, dass der Anlass total harmlos war, konnte man leicht auf die Idee kommen, die Welt würde jeden Moment untergehen. Als ich ihn im Haus absetzte, floh er umgehend durch den Flur in mein Zimmer. Vielleicht lag es daran, dass die Tagesdecke auf meinem Bett bis zum Boden reichte – jedenfalls verkroch sich Murphy bei jedem Gewitter darunter. Offenbar fühlte er sich dort sicher.
Als ich zurück in Richtung Steg ging, fiel mir auf, dass es wieder still geworden war – ich hatte das Finale verpasst. Tatsächlich standen die Leute gerade vom Steg auf und machten sich auf den Rückweg zum Haus. Trotzdem ging ich hinunter, weil sicher meine Hilfe gebraucht wurde. Schließlich wollte ich mir nicht ein zweites Mal den Zorn meiner Mutter zuziehen.
Eine Viertelstunde später hatte ich meiner Mutter beim Aufräumen geholfen, mich von allen Gästen verabschiedet, ihnen für den Besuch gedankt und Lucy versprochen, ihr später von Henrys Überraschung zu berichten. Mein Vater war total erschöpft und sofort schlafen gegangen – Warren hatte ihm die Treppe hinaufgeholfen.
»Ich denke, jetzt haben wir’s geschafft«, sagte Mom, während sie den letzten abgestellten Teller vom Rasen aufhob und sich noch einmal prüfend umsah, ob auch alles in Ordnung war. Gelsey rannte immer noch über die Wiese von einer Kerze zur nächsten und blies sie aus. »Gels«, rief Mom meiner Schwester zu, »Schlafenszeit!«
Im
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