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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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dem Haus Wolldecken ausgebreitet, um zusammen den Film anzusehen, den mein Vater uns immer als das perfekte Gegenmittel für verkorkste Tage angepriesen hatte.
    Es waren natürlich viel weniger Zuschauer als am Strand – nur Wendy, Leland, die Gardners, die Crosbys und wir. Die Einführung hatte ich meinem Vater überlassen, und wir saßen alle ganz mucksmäuschenstill da, während mein Vater sich größte Mühe gab, laut zu sprechen, um uns zu erzählen, wie sehr uns Der dünne Mann gefallen würde. Doch während des Films lachte mein Vater besonders laut.
    Der Film half ihm ein bisschen dabei, seine Trübsinnigkeit zu überwinden. Aber es hatte mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt, ihn in diesem Zustand zu sehen. Die nachfolgenden Wochen waren ein ständiges Auf und Ab. Wie bei einem Pendel gab es Gutes und Schlechtes in konstantem Wechsel, wobei ich die guten Zeiten nie richtig genießen konnte, weil ich genau wusste, dass es danach wieder schlechter wurde.
    Statt abends gleich nach dem Essen wieder loszurennen und uns mit unserer jeweiligen Flamme zu treffen (Warren und ich) oder mit Nora Glühwürmchen zu fangen (Gelsey), blieben wir jetzt länger am Tisch sitzen. Trotz heftiger Proteste meiner Mutter hatten wir unser altes, abgewetztes Risiko-Spielbrett wieder ausgegraben und im Wohnzimmer als heilige Stätte des Strategiespiels aufgebaut. Später am Abend, wenn es auf der Veranda zu dunkel und zu kalt geworden war, gingen wir dann allehinein, um dem Spiel zu huldigen, bis mein Vater anfing zu gähnen und der Kopf ihm schwer wurde. Dann mahnte meine Mutter, es sei Zeit zum Schlafen, und half Dad mit Warren die Treppe hinauf.
    »Weil ich dir nicht mehr vertraue», sagte ich, so wütend ich konnte, zu meiner Mutter, »seit du mich in Paraguay im Stich gelassen hast. Darum.«
    »Sag’s ihr, Charlie«, murmelte mein Bruder monoton, während meine Mutter hastig und stirnrunzelnd die Seiten hin und her blätterte.
    »Tut mir leid«, sagte sie einen Moment später. Kim und Jeff ächzten. »Ich weiß nicht …«
    »Seite 61«, zischte Nora. »Ganz unten.«
    »Ah, stimmt«, antwortete meine Mutter. »Ich werde dich ins Verderben stürzen, Hernandez«, drohte sie mir. »Dich und deine gesamte Familie werde ich zugrunde richten, bis du um Gnade flehst. Doch Gnade wird es nicht geben.« Lächelnd schaute sie zu Kim und Jeff. »Das ist toll«, sagte sie. Nora riss erfreut die Arme nach oben und mein Vater applaudierte ihrer Darbietung.
    Da wir nicht mehr aus dem Haus gingen, statteten die anderen uns Besuche ab. Die Gardners kamen regelmäßig vorbei, vor allem, um uns als Improvisationsdarsteller einzusetzen, wenn sie den aktuellen Stand ihres Drehbuchs laut gesprochen hören wollten. Nora machte Notizen für ihre Eltern, und obwohl meine Mutter ständig mitten in der Szene ihre Meinung sagen musste, wollten sie sie immer wieder als Darstellerin haben.
    Wenn wir nicht gerade das Drehbuch der Gardners mit unseren unterirdischen Lesekünsten verkorksten oder Risiko spielten, saßen wir auf dem alten Cordsofa und guckten die Lieblingsfilme meines Vaters. Er erzählte uns mehr Nebensächlichkeiten über Nur für Offiziere und Mr. Smith geht nach Washington, als wir jemals zu erfahren gehofft hatten und schlief meistens kurz nach der Hälfte ein.
    Manchmal kamen Wendy oder Henry zu uns rüber, um mit uns zusammen Filme anzusehen oder auf unseren Kampf um die Weltherrschaft Einfluss zu nehmen – nur dank Henrys Hilfe war es mir gelungen, Russland doch noch zu erobern –, aber meistens blieben wir als Familie unter uns. Und irgendwie mochte ich das. Ich musste an die vielen Abende in Connecticut denken, wo ich sofort nach dem Abendessen aufsprang und noch eilig über die Schulter rief, was ich vorhatte, während ich schon zu meinem Auto unterwegs war – in Erwartung dessen, was ich für meinen eigentlichen Abend hielt. Damals hatte ich Zeit mit meiner Familie für etwas gehalten, das ich so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte. Und jetzt, wo ich wusste, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt war, konnte ich gar nicht genug davon bekommen und versuchte sie so weit wie möglich auszudehnen. Und ich machte mir Vorwürfe, dass ich es früher nicht mehr zu schätzen gewusst hatte.
    Trotzdem verbrachte ich keineswegs den ganzen Abend im Haus. Meistens schlich ich mich später noch mal nach draußen, wenn alle anderen schon schlafen gegangen waren. Manchmal paddelte ich mit dem Kajak auf die andere Seite zu Lucys Steg,

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