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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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Weile, »wir wohnen jetzt halt hier.«
    »Ah ja«, antwortete ich, da wir das ja schon zuvor geklärt hatten. »Das hab ich inzwischen gecheckt.«
    »Nee, ich meine, wir wohnen jetzt richtig hier, das ganze Jahr«, stellte er klar. Er sah mich wieder an, und ich versuchte mein Erstaunen zu verbergen. Natürlich konnte man das ganze Jahr in Lake Phoenix wohnen, aber das war eher ungewöhnlich. Der Ort war im Wesentlichen eine Sommerkolonie. Vor fünf Jahren hatte Henry noch in Maryland gelebt. Sein Vater arbeitete irgendwas mit Finanzen in Washington DC und kam wie die anderen Väter nur am Wochenende nach Lake Phoenix. Die Woche über blieb er zum Arbeiten in der Stadt.
    »Aha«, nickte ich scheinbar wissend. Ich hatte keine Ahnung, was das für sein Leben bedeutete, aber da er keine Anstalten machte, mir noch irgendwas zu erklären, hätte ich es aufdringlich gefunden, weiter nachzufragen. Plötzlich kapierte ich, dass die Distanz zwischen uns viel größer war, als die paar Schritte zwischen uns vermuten ließen.
    »So«, sagte Henry, und ich fragte mich, ob er gerade das Gleiche empfand wie ich – dass er mit einem völlig fremden Menschen auf dem Steg stand. »Ich muss jetzt mal los«, sagte er nur knapp und wandte sich zum Gehen.
    Ich fand es schade, das Gespräch so zu beenden, und sagte deshalb – hauptsächlich aus Höflichkeit –, als er an mir vorbeiging: »Schön, dich wiederzusehen.«
    Er blieb direkt neben mir stehen, so dicht, dass ich die Sommersprossen auf seinen Wangen sehen konnte, die er also immer noch hatte. Sie waren blasser als früher, aber ich konnte jede einzelne davon erkennen und sie wie Sternbilder zusammenfügen. Mein Herz fing an zu rasen und schlug mir fast bis zum Hals. Plötzlich fühlte ich mich zu einem unserer ersten, zaghaften Knutscherlebnisse zurückversetzt, das fünf Jahre zuvor auf exakt diesem Steg stattgefunden hatte. Der Gedanke Ich hab dich schon mal geküsst blitzte in mir auf, noch ehe ich ihn unterdrücken konnte.
    Ich schaute Henry an und fragte mich, ob er gerade dasselbe dachte wie ich. Aber obwohl er mir so nahe war, bedachte er mich nur mit einem skeptischen Blick und ging weiter. Mir wurde klar, dass er meine freundliche Floskel ganz bewusst nicht erwidert hatte.
    An einem anderen Tag hätte ich es vielleicht dabei belassen. Aber ich war schlecht drauf und müde und hatte gerade vier Stunden lang Boygroups und sämtliche Einzelheiten über die Lichtenergie gehört. Ich merkte, wie die Wut in mir aufstieg. »Jetzt pass mal auf. Ich hab mir das nicht ausgesucht, hierherzukommen«, stellte ich klar und hörte, wie meine Stimme lauter und ein bisschen schriller wurde.
    »Wieso bist du also hier?«, hakte Henry nach und klang jetzt ebenfalls aufgebracht.
    »Ich bin halt nicht gefragt worden«, gab ich zurück, obwohl ich genau wusste, dass ich zu weit ging. Aber ich hatte mich nicht mehr im Griff und fügte hinzu: »Eigentlich wollte ich nie wieder hierherkommen.«
    Einen Moment lang wirkte er ein bisschen verletzt, aber im nächsten Augenblick hatte er wieder seine versteinerte Miene aufgesetzt. »Na ja«, entgegnete er, »da bist du vielleicht nicht die Einzige, die sich das gewünscht hat.«
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, ich hatte es schließlich verdient. Einen Moment lang sahen wir uns unschlüssig an, und mir ging durch den Kopf, dass beim Streiten auf einem Steg das Hauptproblem darin bestand, dass man nicht weg konnte, wenn der andere einem den Weg zum Festland versperrte.
    »Na dann«, sagte ich schließlich, brach unseren Blickkontakt ab und verschränkte die Arme vor dem Körper, um deutlich zu machen, wie egal mir das Ganze war. »Man sieht sich.«
    Henry schulterte das Paddel wie eine Axt. »Wird sich wohl nicht vermeiden lassen, Taylor«, entgegnete er finster. Er sah mir noch einmal in die Augen, wandte sich dann um und ging seiner Wege. Da ich ihm nicht hinterherschauen wollte, schlenderte ich zum Ende des Steges.
    Ich sah hinaus aufs Wasser, über dem die Sonne schon fast unterging, und atmete tief aus. Henry wohnte jetzt also nebenan. Aber das war kein Problem. Damit würde ich schon klarkommen und einfach den ganzen Sommer im Haus verbringen. Weil ich plötzlich von alldem total geschafft war, setzte ich mich hin und ließ meine Füße über dem Wasser baumeln. Da fiel mir am äußersten Ende des Steges etwas ins Auge.
    Henry
    +
    Taylor
    4ever
    Das hatten wir vor fünf Jahren dort zusammen eingeritzt, eingerahmt von einem leicht

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