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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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schiefen Herz. Ich konnte es gar nicht fassen, dass es nach so langer Zeit immer noch da war. Mit den Fingern strich ich über das Plus und fragte mich, was ich mir mit zwölf unter forever wohl vorgestellt hatte.
    Irgendwo hinter mir hörte ich Autoreifen auf dem Kies knirschen, dann klappten Autotüren und ich wusste, dass meine Eltern endlich angekommen waren. Müde stand ich auf, trottete über den Steg und fragte mich, was ich hier eigentlich verloren hatte.

Kapitel 4
    Drei Wochen zuvor
    Es war definitiv der scheußlichste Geburtstag aller Zeiten.
    Ich saß neben Warren auf dem Sofa, während Gelsey bäuchlings vor uns auf dem Boden lag, die Beine froschartig angewinkelt, sodass sie rautenförmig hinter ihr auf dem Teppich ruhten. Allein der Anblick tat mir weh. Wir glotzten gemeinsam eine Sitcom, bei der bisher nicht einer von uns auch nur einmal gelacht hatte, und ich hatte den Eindruck, dass meine Geschwister das nur taten, weil sie sich dazu verpflichtet fühlten. Mir entging nicht, wie Warren sehnsüchtig nach seinem Laptop schielte, und ich ahnte, dass Gelsey viel lieber oben in ihrem Zimmer gewesen wäre, das sie in ein provisorisches Tanzstudio verwandelt hatte, um dort ihre fouettes oder was auch immer zu üben.
    Meine Geschwister hatten sich redlich bemüht, einigermaßen Geburtstagsstimmung aufkommen zu lassen, soweit das angesichts der Umstände möglich war. Sie hatten meine Lieblingspizza mit Ananas und Peperoni bestellt, eine Kerze in die Mitte gesteckt und, nachdem ich sie ausgepustet hatte, Beifall geklatscht. Erwartungsvoll hatte ich die Augen ganz fest zugekniffen, auch wenn ich mich nicht erinnern konnte, wann ich mir das letzte Mal was zum Geburtstag gewünscht und tatsächlich darauf gehofft hatte. Aber es war ein inbrünstiger, sehnlicher Wunsch gewesen – ich wollte, dass mit meinem Vater alles wieder gut wurde, dass alles, was passiert war, sich als Irrtum herausstellte, als Fehlalarm, und in diesen Wunsch hatte ich so viel Hoffnung gelegt wie damals, als ich noch sehr klein und mein innigster Wunsch ein eigenes Pony war.
    Das Sitcom-Gelächter schallte durchs Zimmer, und ich schaute zur Uhr am DVD-Player. »Wann wollten sie eigentlich wieder da sein?«
    »Mom wusste nicht, ob sie es heute noch schaffen«, sagte Warren. Er sah kurz zu mir und dann schnell wieder zum Fernseher. »Sie ruft an, hat sie gesagt.«
    Ich nickte und versuchte von Neuem, meine Aufmerksamkeit auf das alberne Sitcom-Theater zu richten, obwohl ich den Schauspielern kaum folgen konnte. Meine Eltern waren im Sloan-Kettering-Center, einer Krebsklinik in Manhattan, wo für meinen Vater verschiedene Untersuchungen anstanden. Sie waren dort schon seit drei Tagen, weil sich herausgestellt hatte, dass das Rückenproblem, das ihm seit Monaten zu schaffen machte, eigentlich gar kein Rückenproblem war. Wir drei mussten allein klarkommen und hatten ohne zu meckern unsere Pflichten erledigt, wobei wir viel besser miteinander ausgekommen waren als sonst. Über das, wovor wir die größte Angst hatten, verloren wir kein Wort, als ob es mit dem Aussprechen des Wortes wahr werden würde.
    Meine Mutter hatte mich am Morgen angerufen und sich dafür entschuldigt, dass sie meinen Geburtstag verpassten, und noch während ich ihr versicherte, dass das nun wirklich kein Problem war, spürte ich, wie sich in meinem Magen ein dicker Klumpen bildete. Weil es sich in gewisser Weise so anfühlte, als ob ich es nicht besser verdient hatte. Ich hatte mich meinem Vater immer sehr nahe gefühlt – ich war diejenige, die ihn begleitete, wenn etwas zu erledigen war, ich war diejenige, die ihm dabei half, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke für meine Mutter auszusuchen, und ich war die Einzige, die mit seinem Humor etwas anfangen konnte. Also hätte schließlich ich als Allererste merken müssen, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Immerhin hatte ich die Zeichen gesehen – wie er schmerzhaft das Gesicht verzog, wenn er sich auf den niedrigen Fahrersitz seines Sportwagens schob, wie er sich mehr als sonst anstrengen musste, um schwere Dinge zu heben, wie er sich irgendwie vorsichtiger bewegte als sonst. Aber ich hatte es nicht wahrhaben wollen und gehofft, dass es nur eine Kleinigkeit war, die von allein wieder wegging. Deshalb hatte ich nichts gesagt. Mein Vater konnte Ärzte nicht ausstehen, und obwohl das, was ich gesehen hatte, vermutlich auch meiner Mutter nicht entgangen war, hatte sie nicht darauf bestanden, dass er deswegen zum Arzt ging.

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