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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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Formsache für ihn.
    »Hey«, sagte ich, tippte meinen Bruder an und ließ mich neben Dad nieder. »Mom braucht ’nen Pizzalieferanten.«
    Warren runzelte die Stirn. »Ich?« Mein Vater warf ihm einen strengen Blick zu, woraufhin er eilig aufstand. »Also, ich meine, klar. Kein Problem. Wie hieß noch mal der Laden in der Stadt?«
    Fragend sahen Warren und ich unseren Vater an. Mein Bruder hatte zwar ein fotografisches Gedächtnis, aber Dad war derjenige, der die wirklich wichtigen Informationen gespeichert hatte – Ereignisse, Daten oder eben die Namen von Pizza-Lokalen.
    »The Humble Pie«, sagte mein Vater. »Falls er noch existiert.«
    »Werd’ ich ja sehen«, entgegnete Warren, strich sein Polohemd glatt und ging zur Tür. Nach ein paar Schritten blieber stehen und drehte sich noch mal um. »Wusstet ihr, dass die Pizza eigentlich als Resteverwertung entstanden ist? In Italien im 15. …«
    »Mein Sohn«, unterbrach ihn Dad, »können wir das vielleicht beim Essen besprechen?«
    »Geht klar«, sagte Warren und wurde beim Rausgehen ein bisschen rot. Kurz darauf hörte ich die Eingangstür klappen und den Motor starten.
    Dad sah mich über seinen Bildschirm hinweg an und zog eine Augenbraue hoch. »Sag mal, Kleines, hat deine Mutter wirklich gesagt, dass Warren die Pizza holen soll?«
    Ich versuchte mir ein Grinsen zu verkneifen, zupfte an einem losen Faden meines T-Shirts und antwortete schulterzuckend: »Sie meinte, einer von uns beiden soll losfahren. Ich hab’s halt delegiert.«
    Lächelnd schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. Trotz der Diagnose arbeitete er weiter. Er behauptete zwar, dass er nur noch Liegengebliebenes fertigstellen wollte, aber ich wusste genau, dass er seine Arbeit einfach nicht loslassen konnte. In seiner Kanzlei war er der auf Berufungen und Revisionen spezialisierte Anwalt. Er fuhr jeden Samstag und auch oft sonntags in sein Büro. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass er nur ein- bis zweimal pro Woche zum Abendessen zu Hause war und ansonsten länger arbeitete. Für uns war es normal, dass manchmal mitten in der Nacht oder ganz früh am Morgen das Telefon klingelte. Keiner wunderte sich, wenn sich um vier Uhr morgens unser Garagentor summend öffnete und wieder schloss, weil er so zeitig im Büro sein musste, da er mal wieder für irgendwen die letzte Hoffnung auf eine zweite Chance war.
    »Woran arbeitest du denn gerade?«, fragte ich, nachdem er eine Weile schweigend getippt hatte.
    »An einem Schriftsatz«, antwortete er und sah mich an. »Ich sitze da schon seit ein paar Wochen dran. Sollte eigentlich längst fertig sein, aber …« Er beendete den Satz nicht, denn ich wusste auch so, was er meinte. Vor ein paar Wochen – drei waren es, um genau zu sein – hatten wir erfahren, was mit ihm los war, und danach herrschte erst mal eine Weile Ausnahmezustand.
    »Sieht aber nach mehr als nur einem Satz aus«, merkte ich an, um ein bisschen Heiterkeit zu verbreiten, wofür mich mein Vater mit einem Lächeln belohnte. »Sehr hübsch«, sagte er anerkennend. Dad liebte Wortspielereien über alles – je plumper, desto besser – und ich war die Einzige, die das ertragen konnteoder gelegentlich auch mitmachte. »Ich will nur …« Er sah auf den Monitor und schüttelte den Kopf. »Ich will das eben richtig gut machen. Sieht ja so aus, als ob das mein Vermächtnis wird.«
    Ich nickte und studierte eingehend die Kratzer auf dem Holztisch, weil ich keine Ahnung hatte, was ich darauf antworten sollte. Wir wussten ja alle, wie es um meinen Vater stand, aber seit meinem Geburtstag hatten wir eigentlich nicht mehr darüber geredet, und so fiel mir nichts ein, was ich entgegnen könnte.
    »Na ja«, sagte mein Vater nach kurzem Schweigen ein bisschen leiser. »Ich mach dann mal weiter.« Er fing wieder an zu tippen. Obwohl ich eigentlich Kisten auspacken sollte, kam es mir plötzlich unfair vor, ihn hier ganz allein an seinem letzten Fall arbeiten zu lassen. Also setzte ich mich neben ihn. Außer dem Klappern der Tastatur war es ganz still, bis wir schließlich das Knirschen der Reifen auf dem Kies hörten und kurz darauf meine Mutter zum Essen rief.
    Das Bad war viel zu klein.
    Das merkten wir besonders, wenn wir uns alle gleichzeitig bettfertig machen wollten, was Warren als die »abendlichen Waschungen« bezeichnete.
    »Ihr habt mir ja überhaupt keinen Platz gelassen«, maulte ich. Ich drängelte mich an Gelsey, die sich unerträglich langsam die Zähne putzte,

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