Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
nie wieder zu diesem blöden Job antanzen müssen.
Draußen traf ich Lucy und Elliot, als Lucy gerade das Eisengitter vor dem Imbissfenster herunterzog und abschloss. Ich sah Leland mit seiner Gitarre über der Schulter vom Strand geschlendert kommen und war erstaunt, dass immer noch ein paar Leute badeten und in ihren Booten auf dem Wasser schaukelten. »Sagt mal«, fragte ich, als Elliot auf mich zukam und Lucy gerade zweimal probehalber mit aller Kraft am Schloss zog, »was passiert eigentlich, wenn kein Rettungsschwimmer mehr da ist?«
»Dann ist ein Schild oben«, sagte Elliot. Er nickte Leland zu, der in aller Ruhe auf uns zugeschlendert kam. »Der Rettungsschwimmer ist nur von neun bis fünf auf seinem Posten. Ansonsten hängt ein Schild ›Baden auf eigene Gefahr‹ am Rettungsturm.«
Ich nickte. Lucy hatte schon wieder ihr Handy in der Hand. Sie lächelte Leland zu, aber kaum hatte sie mich gesehen, verschwand ihre freundliche Miene. »Wir müssen den Dienstplan machen«, teilte sie mir gelangweilt mit. »Ich kläre das mit Fred und rufe dich dann an. Wie ist deine Handynummer?« Ich gab sie ihr und sie tippte sie in ihr Telefon, wobei sie die Tasten um einiges heftiger drückte als nötig. »Okay«, sagte sie, nachdem sie meine Nummer gespeichert hatte. Sie schaute mich vielsagend an, und als ich die drei so einträchtig nebeneinander stehen sah, begriff ich, dass sie jetzt sicher Pläne für den Abend schmieden wollten und dass ich in diesen Plänen zweifellos nicht vorkam.
»Okay«, sagte ich und fühlte, wie mein Gesicht heiß wurde. »Alles klar. Prima. Also … ruf mich einfach an wegen dem Dienstplan und ich … bin dann hier.« Mir war bewusst, dass ich mich anhörte wie ein Vollidiot, aber die Worte waren gesagt, noch ehe ich sie aufhalten konnte. Ich nickte ihnen zu und ging dann im Eiltempo zu meinem Auto.
Als ich die Tür geöffnet hatte, sah ich mich noch einmal zu Lucy um, ehe ich mich ans Steuer setzte. Sie schaute nicht sofort weg, wie sie es den ganzen Tag über getan hatte, und ihr Gesicht wirkte eher traurig als wütend. Doch dann wandte sie sich ab, und mir fiel wieder ein, was Elliot gesagt hatte. Er hatte schon recht – ich konnte ihr echt keine Vorwürfe machen. Denn ich hatte es wirklich nicht anders verdient.
Kapitel 11
Fünf Sommer zuvor
Missmutig sah ich auf dem Steg zu Lucy hinüber. »Das nervt doch total.« Ich sortierte aus meinem Skittles-Anteil die violetten heraus und schob sie zu meiner besten Freundin rüber. Lucy besah sich ihre Hälfte, fischte alle grünen raus und befördertesie zu mir. So teilten wir immer unseren Süßkram und kannten die farblichen Vorlieben der anderen in- und auswendig. Eisriegel wie Snickers oder Milky Way holten wir uns am liebsten am Strandimbiss. Wir nahmen immer einen für uns beide, samt Plastikmesser, und Lucy zerschnitt den Riegel mit chirurgischer Präzision. Alles wurde absolut gerecht miteinander geteilt.
»Ich weiß«, nickte Lucy. »Ist voll Scheiße.« Ich nickte bewundernd und ein bisschen neidisch. Meine Mutter regte sich nämlich immer auf, wenn ich solche Sachen sagte, und bei Lucy war das eigentlich nicht anders. Zumindest bisher. Aber Scheidung bedeutete halt auch, dass man sich plötzlich lauter Sachen erlauben konnte, die bis vor Kurzem noch undenkbar waren. Meinte zumindest Lucy.
Leider bedeutete Scheidung weiterhin, dass Lucy fast den ganzen Sommer nicht hier sein würde, was ich noch gar nicht so richtig fassen konnte. Ein Sommer in Lake Phoenix war ohne Lucy unvorstellbar, und ich hatte keine Ahnung, was ich ohne sie hier anfangen sollte. An einem Abend waren wir sogar bei meinen Eltern gewesen und hatten ihnen vorgeschlagen, dass Lucy doch diesen Sommer bei uns wohnen könnte, während ihre Eltern in New Jersey mit Anwälten, Terminen und »Mediation« beschäftigt waren, was auch immer das sein sollte. Auf diese Weise könnte Lucy hier die frische Luft genießen und würde ihren Eltern keine Umstände machen. Wir hatten uns ausgemalt, dass sie mit in mein Zimmer zog und wir abwechselnd im richtigen und im Ausziehbett schliefen.
Aber das hatten meine Eltern leider nicht erlaubt, und jetzt, nach nur zwei Wochen, stand Lucys Abreise bevor. Ich musste mich also von ihr verabschieden. Das machte ich zwar nach jedem Sommer, aber diesmal war es anders.
»Pass auf«, sagte Lucy und strich ihren Pony glatt. Ich fand diesen Pony ganz toll und beneidete sie sehr darum. Aber als ich mir im Herbst davor selber einen
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