Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
Vom Netzwerk:
markierte sorgfältig eine Passage in seinem Buch und beobachtete mein Gesicht. »Henry und Derek.«
    »Davy«, korrigierte ich ihn mechanisch.
    »Das hast du ja noch gar nicht erzählt«, flötete er in einem singenden Ton, der mich offenbar gesprächig machen sollte. Plötzlich war ich sehr neidisch auf Gelsey und ihre schalldichten Kopfhörer.
    »Ja und?«, gab ich zurück, während ich versuchte, meine Beine in eine bequemere Position zu bringen, und mich fragte, wieso wir uns eigentlich darüber unterhalten mussten.
    »Hast du ihn eigentlich schon gesehen?« Warren unterstrich einen weiteren Satz und wenn man ihn nicht kannte, wäre man nie auf die Idee gekommen, dass er mich gerade quälte und das auch noch genoss.
    »Ein paar Mal.« Ich fuhr mir mit den Fingern durch die regennassen Haare. »Weiß auch nicht, war ziemlich komisch«, sagte ich und dachte an unsere zahlreichen Begegnungen, von denen nicht eine für ein richtiges Gespräch oder eine Entschuldigung getaugt hatte.
    »Komisch?«, wiederholte Warren. »Weil ihr mal miteinander gegangen seid, als du … zwölf warst?« Grinsend schüttelte er den Kopf.
    »Weil …«, setzte ich zu einer Erklärung an, doch da krachte ein so gewaltiger Donner, dass wir beide zusammenzuckten und Warren seinen Textmarker fallen ließ. Ich griff ihn mir, als er über den Tisch auf mich zugerollt kam, und drehte ihn zwischen den Fingern.
    »Weil?«, bohrte Warren und sah mich an. Mit einer Handbewegung gab er mir zu verstehen, dass er seinen Marker wiederhaben wollte, aber ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt.
    »Weiß ich doch auch nicht.« Ich war genervt. Ich wollte darüber nicht reden. Und schon gar nicht mit meinem Bruder. »Was kümmert dich das eigentlich?«, fragte ich schließlich. »Und seit wann reden wir eigentlich über so was?«
    »Machen wir ja gar nicht«, widersprach Warren. Er zuckte die Schultern und fuhr in herablassendem Ton fort: »Es ist nur ganz offensichtlich ein Problem für dich, weshalb ich dir eine Gelegenheit zum Reden geben wollte. Das ist alles.«
    Meiner Ansicht nach war das Ganze komplett sinnlos. Ich hätte einfach gehen und mich nicht weiter darum kümmern sollen. Aber irgendwas an der Haltung meines Bruders deutete darauf hin, dass er irgendwie mehr wusste als ich. Und bei manchen Dingen – wenn nicht den meisten – stimmte das sogar. Aber nicht bei allem. Warren war schon immer ein ziemlicher Einzelgänger gewesen. Die Wochenenden verbrachte er am liebsten mit Lernen und der Arbeit an seinen diversen Projekten. Er hatte noch nie eine Freundin gehabt, zumindest wusste ich von keiner. Zu seinem Abschlussball war er zwar gegangen, aber nur mit seiner Lerngruppenpartnerin, die in etwa die weibliche Ausgabe von Warren war. Sie hatten gesagt, dass sie an diesem Ritual quasi als Kulturexperiment teilnehmen wollten. Nach dem Abschlussball hatten sie zusammen darüber ein Referat für ihren Psychologiekurs geschrieben und dafür einen Preis gewonnen.
    »Du weißt doch gar nicht, wovon du redest«, fuhr ich meinem Bruder an. Sein Kopf fuhr zu mir herum, wahrscheinlich weil das ein Satz war, den er noch nie zu hören bekommen hatte. Eigentlich wusste ich, dass es besser gewesen wäre, den Mund zu halten, aber trotzdem hörte ich mich weitersprechen – mit diesem scharfen Unterton in der Stimme, den ich so an mir hasste. »Man muss schon mal eine Beziehung erlebt haben, um zu wissen, was eine Trennung bedeutet.«
    Selbst in dem schwachen Licht unserer Veranda sah ich, wie sich das Gesicht meines Bruders ein bisschen rot verfärbte, und genau wie ich es geahnt hatte, taten mir meine Worte sofort leid.
    »Ich möchte dich darauf hinweisen«, sagte Warren steif und blätterte die Seiten in seinem Buch schneller um, als er sie lesen konnte, »dass ich mich vorrangig auf meine schulischen Verpflichtungen konzentriere.«
    »Weiß ich doch«, bemühte ich mich eilig die Wogen zu glätten und wünschte, ich hätte meine Klappe gehalten.
    »Ich finde es überflüssig, mich mit Leuten abzugeben, die später mal keine Rolle mehr in meinem Leben spielen werden«, fuhr er im selben Ton fort.
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihm recht zu geben und ins Haus zu gehen, doch was er gerade gesagt hatte, ging mir absolut gegen den Strich. »Aber woher willst du das denn wissen?«, fragte ich.
    Stirnrunzelnd sah er mich an. »Woher will ich was wissen?«
    »Du hast gesagt, dass du deine Zeit nicht mit Leuten verschwenden willst, die später keine Rolle mehr

Weitere Kostenlose Bücher