Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
weg von dort, und zwar schnellstens.«
»Aber du hast durchgehalten«, sagte ich und ahnte schon, worauf die Geschichte hinauslief.
»Ich hab durchgehalten«, bestätigte er. »Und wie sich herausstellte, war ich total begeistert von der Rechtswissenschaft, als ich keine Angst mehr hatte, einen Fehler zu machen. Und wenn ich das Studium abgebrochen hätte, wäre ich außerdem nie deiner Mutter über den Weg gelaufen.«
Das war eine Geschichte, die ich tatsächlich schon kannte – wie sich meine Eltern in einem kleinen Lokal in der Upper West Side von Manhattan getroffen hatten. Da war mein Vater imdritten Studienjahr an der Columbia Law School, und meine Mutter kam gerade von einer Aufführung des Balletts Der Nussknacker.
»Genau«, sagte ich und spürte, wie die Gelegenheit, aus meinem Job rauszukommen, schon wieder dahinschwand. »Aber in diesem Fall …«
»Stimmt denn was nicht mit der Arbeit? Gibt’s ernsthafte Probleme?« Dad angelte wieder mit dem Löffel nach meiner Waffel und ich überließ sie ihm ganz, denn mir war irgendwie der Appetit auf Eis vergangen. Ich konnte meinem Vater ja nun schlecht erklären, dass das alles nur daran lag, dass meine ehemalige beste Freundin gemein zu mir war.
»Nein«, sagte ich schließlich.
Mein Dad lächelte mich an. Um seine blauen Augen – die außer uns beiden kein anderer in der Familie hatte – legte sich die Haut in kleine Fältchen. »In diesem Fall«, sagte er, als ob die Sache damit entschieden war, »wirst du schon durchhalten. Und vielleicht hat es ja am Ende sein Gutes.«
Das bezweifelte ich zwar, aber ich wusste auch, wann ich mich geschlagen geben musste. Ich schaute noch einmal kurz hinüber zum Imbiss, und es graute mir davor, am nächsten Tag wieder dort antanzen zu müssen. »Ja, wahrscheinlich«, antwortete ich und versuchte dabei einigermaßen optimistisch zu klingen, was natürlich nicht mal annähernd klappte.
Mein Vater lachte und strubbelte mir durchs Haar, so wie er es immer gemacht hatte, als ich noch klein war. »Na komm«, sagte er. Er stand auf, wobei er ein bisschen das Gesicht verzog, und warf seinen leeren Eisbecher in den Papierkorb. »Wir fahren nach Hause.«
Nach dem Abendessen fing es an zu regnen. Der Wetterumschwung überrumpelte mich völlig. Zu sehen, wie die Welt, die bis dahin immer nur sonnig und warm gewesen war, von einem heraufziehenden Gewitter urplötzlich verändert wurde, erinnerte mich daran, wie schnell sich manches ändern konnte.
Dankbar suchte ich Zuflucht auf unserer überdachten Veranda, wischte mir die Wassertropfen aus dem Gesicht und schleuderte meine Flip-Flops auf den Haufen aus Sandalen, der sich wie immer neben der Tür gebildet hatte. Ich hatte den Müll raus zum Bärenkasten geschafft und gedacht, dass ein Schirm als Regenschutz ausreichen würde, doch kaum war ich einen Schritt nach draußen gegangen, legten der Regen und der Wind noch einmal kräftig zu.
»Alles klar?«, fragte Warren, der auf seinem Platz am Tisch saß, und kurz den Blick von seinem Buch hob, um mich anzusehen.
»Alles klar, wär nur beinahe ertrunken«, entgegnete ich und setzte mich ihm gegenüber. Wir zwei waren allein auf der Veranda. Meine Eltern saßen drin und lasen. Und Gelsey, die immer aufs Energischste abstritt, dass sie Angst vor Gewittern hatte, war beim ersten Donnerkrachen mit den für sie viel zu großen, schalldichten Kopfhörern von Dad auf den Ohren in ihr Zimmer getürmt und beabsichtigte offenbar, den Rest des Abends dort zu verbringen.
Warren widmete sich wieder seinem Buch. Ich saß mit hochgezogenen Beinen da, legte die Arme um die Knie und sah dem Regen zu, der in Sturzbächen herunterkam. Gewitter hatten mich noch nie gestört. Im Gegenteil, ich sah ihnen gern von unserer Veranda aus zu – denn dort war man drinnen, aber gleichzeitig auch draußen. Man konnte jeden Blitz sehen und jeden Donner hören, und trotzdem war man vor dem Regen geschützt und sicher. Während ich so gedankenverloren dem aufs Dach prasselnden Regen lauschte, machte ich mir plötzlich Sorgen um den kleinen Hund, den ich schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen hatte. Ich hoffte, dass er wieder dort war, wo er hingehörte, und ansonsten schlau genug war, um sich vor dem Regen zu verstecken. Was ich aber irgendwie bezweifelte. Ich hatte mich an das Hündchen gewöhnt, und der Gedanke, dass er bei dem Unwetter da draußen war, gefiel mir gar nicht.
»Mom hat gesagt, dass die Crosbys jetzt nebenan wohnen«, sagte Warren,
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