Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
ich …« Weiter kam ich einfach nicht, denn die Anwesenheit von zwei weiteren Zuhörern machte es nicht unbedingt leichter. Ich versuchte es noch einmal, aber da hatte ich schon meinen Mut verloren. »Ach, nichts«, sagte ich schließlich. »Vergiss es einfach.« Ich spürte die Augen der Blondine auf mir und sah ihren Blick meinen Arm entlangwandern, wo die Eisschmelze weitere Spuren hinterlassen hatte und inzwischen eine kleine Pfütze neben meinen Füßen bildete, dort, wo die Tropfen auf dem Boden landeten. »Ich muss jetzt los«, sagte ich, ohne darauf zu warten – oder gar zu hoffen –, dass ich dem Mädchen vorgestellt wurde, das eindeutig mit Henry zusammen war und sich vermutlich fragte, wieso ich ihnen eigentlich die Zeit stahl.
Henry holte Luft, als ob er etwas sagen wollte, doch dann schaute er nur zu dem Mädchen und schwieg.
»Bis später«, sagte ich hastig und an niemanden konkret gerichtet. Ich wich Henrys Blick aus und ging los, die Straße hinunter zu unserem Auto. Ich war noch nicht weit gekommen, als mein Vater mit einer braunen Papiertüte unterm Arm auf mich zukam.
»Hi«, sagte er, »ich dachte, wir treffen uns bei Jane?«
»Nein«, wehrte ich panisch ab, denn ich hatte ganz bestimmt nicht vor, auf der Bank vor der kleinen Eisdiele zu sitzen und neben Henry, seiner Freundin und seinem kleinen Bruder Eis zu essen, vor allem, nachdem ich mich so gründlich blamiert hatte. »Ich dachte, wir setzen uns lieber ins Auto. Es ist total voll in dem winzigen Laden.«
Dad schaute hinüber zu Janes Eisdiele – die leerer nicht hätte sein können – und dann zu mir, dem klebrigen Etwas, in das ich mich verwandelt hatte. »Ich glaub, ich hab da ’ne bessere Idee«, sagte er.
Kurz darauf saßen wir am Strand, der nur wenige Autominuten von der Main Street entfernt war, an einem der Picknicktische, und sahen hinaus aufs Wasser. Ich hatte mich mit den Papiertaschentüchern, die immer auf dem Rücksitz im Auto lagen, und etwas Desinfektionsmittel aus dem Handschuhfach wieder salonfähig gemacht, sodass ich nicht mehr überall klebrigen Schrecken verbreiten musste. Obwohl es langsam spät wurde, war der Strand noch voller Leute, und vor dem Imbiss hatte sich eine Warteschlange gebildet.
Während ich dem Treiben so zusah, fragte ich mich, ob Lucy wohl gerade alleine arbeitete oder ob Elliot Dienst hatte. Als ob Dad meine Gedanken lesen konnte, drehte er seinen Eisbecher auf der Suche nach dem idealen Punkt für den nächsten Löffel und fragte mich dann: »Na, wie gefällt dir denn die Arbeit dort?«
Mir ging urplötzlich auf, dass das mein Stichwort war, der ersehnte Moment, um ihm zu sagen, dass ich es wirklich versucht hatte, aber dass es wohl doch nicht das Richtige für mich war. Und nach der entsprechenden Ankündigung konnte ich vielleicht gleich rüber zum Verwaltungsbüro gehen, kündigen, und hätte damit die ganze Sache noch vor dem Abendessen vom Tisch. »Also, es sieht so aus«, fing ich an. Mein Vater zog die Augenbrauen hoch und kratzte noch einen Löffel aus seinem nahezu leergegessenen Becher zusammen. »Ich bin mir ganz sicher, dass es eine tolle Erfahrung ist, hier am Strand zu arbeiten. Ich glaube nur, dass es nicht so ganz passend für mich ist. Und vielleicht sollte ich mich ja, so wie Warren, lieber auf meinen Schulstoff konzentrieren …« Dann gingen mir die Argumente aus, und leider waren gerade weder meine Geschwister noch andere Ablenkungen verfügbar, die mir eine Pause verschaffen konnten. Nur mein Vater musterte mich mit ruhigem Blick, fast so, als würde er durch mich hindurchschauen.
»Sag mal, Kleines«, sagte er, nachdem er seinen Becher leer gelöffelt und beiseitegestellt hatte, »hab ich dir eigentlich schon mal erzählt, wie sehr ich mein Jurastudium am Anfang gehasst habe?«
»Nein«, antwortete ich, ohne auch nur einen Moment nachdenken zu müssen. Mein Vater redete nur selten über sich, und die meisten persönlichen Geschichten, die ich gehört hatte, kamen entweder von meiner Mutter oder meinem Großvater, wenn er mal zu Besuch war.
»Also, das war so«, fuhr er fort. Mit seinem Löffel langte er über den Tisch zu meinem restlichen Eis und ich hielt ihm die Waffel hin. »Ich bin nicht so wie dein Bruder. In der Schule fiel mir nicht alles problemlos zu. Ich musste ziemlich ranklotzen, um zum Jurastudium zugelassen zu werden. Und als ich damit angefangen hatte, war ich ganz sicher, dass das der größte Fehler meines Lebens war. Ich wollte nichts wie
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