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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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für einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes abzuschwatzen. Nun, wenigstens würde es keine Cornelia III mehr geben.
    »Entschuldigen Sie, Sir.«
    Jäh aus seinen Tagträumen gerissen, sprang Jed auf, nahm Verteidigungshaltung ein und wollte den Störenfried schon auffordern, sich zu verdünnisieren. Doch statt des erwarteten Obdachlosen stand ein Mann vor ihm, der ihn mit wissendem Blick ernst betrachtete.
    »Detective George Brennan«, sagte der Mann und hielt Jed seine Polizeimarke hin.
    Zu spät. Jed gestand sich ein, dass es vermutlich der größte Fehler seines Lebens gewesen war, sich am Hafen herumzutreiben.

21
E
    ndlich zeichneten sich bei Dan Minors Suche nach seiner Mutter die ersten Erfolge ab. Da die Frau im Obdachlosenheim sie auf dem Foto erkannt und sogar »Quinny« genannt hatte, schöpfte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Hoffnung. Und da er nun schon viele Jahre – leider vergeblich – alles tat, um seine Mutter zu finden, genügte der winzigste Anhaltspunkt, um ihn in Aufregung zu versetzen.
    Heute war er so guter Dinge, dass er sich am Nachmittag nach seinem Dienst im Krankenhaus sofort umzog und in den Central Park lief, um dort seine Nachforschungen fortzusetzen.
    Ihm schien es, als suche er seine Mutter schon sein Leben lang, und in gewisser Weise traf das auch zu. Sie war verschwunden, als er sechs Jahre alt gewesen war, kurz nach dem Unfall, der ihn fast das Leben gekostet hätte.
    Er erinnerte sich noch genau, wie sie weinend neben seinem Krankenhausbett gekniet hatte, als er aufgewacht war. Später erfuhr er, dass sie nach dem Unfall wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht angeklagt worden war, denn sie war betrunken gewesen,
    als
    es
    geschah.
    Aus
    Angst
    vor
    einer
    Gerichtsverhandlung und der öffentlichen Schande und auch, weil sie ganz sicher das Sorgerecht für ihren Sohn verloren hätte, hatte sie sich einfach aus dem Staub gemacht.
    Hin und wieder bekam Dan zu seinem Geburtstag eine Karte ohne Unterschrift, doch er wusste, dass sie von seiner Mutter stammte. Diese Grüße waren das einzige Lebenszeichen von ihr.
    Und dann, eines Tages vor sieben Jahren, hatte er mit seiner Großmutter zu Hause vor dem Fernseher gesessen und durch die Sender gezappt. Ein Bericht über Obdachlose in Manhattan hatte sein Interesse geweckt.
    Einige Interviews waren in Obdachlosenunterkünften, andere auf der Straße aufgenommen worden. Eine der Befragten stand an einer Straßenecke am nördlichen Broadway. Dans Großmutter las gerade, doch als die Frau zu sprechen begann, schreckte sie hoch und starrte auf den Bildschirm.
    Der Journalist fragte die Obdachlose nach ihrem Namen, und diese erwiderte: »Die Leute nennen mich Quinny.«
    »Oh, Gott, das ist Kathryn!«, rief die Großmutter aus. »Dan, schau, das ist deine Mutter! «
    Erinnerte er sich wirklich an ihr Gesicht, oder lag das nur an den unzähligen Fotos von ihr, die er im Laufe der Jahre betrachtet hatte, dass er diese Frau für seine Mutter hielt? Die Frau auf dem Bildschirm wirkte verbraucht, ihre Augen waren stumpf. Und trotzdem erkannte man noch, dass sie einmal sehr hübsch gewesen sein musste. Das dunkelbraune Haar war inzwischen grau meliert und fiel ihr in einer struppigen Mähne über die Schultern. Doch er fand sie noch immer wunderschön.
    Sie trug einen schäbigen, viel zu großen Mantel. Ihre Hand lag beschützend auf einem Einkaufswagen voller Plastiktüten.
    Zum Zeitpunkt dieser Sendung war sie fünfzig Jahre alt, dachte Dan oft. Aber sie sah viel älter aus.
    »Wo kommen Sie her, Quinny?«, hatte der Journalist gefragt.
    »Inzwischen von hier.«
    »Haben Sie Familie?«
    Sie blickte in die Kamera. »Früher hatte ich einen wunderbaren kleinen Jungen. Ich hatte ihn nicht verdient. Da es ihm ohne mich besser ging, habe ich mich davongemacht.«
    Am nächsten Tag hatten seine Großeltern einen Privatdetektiv damit beauftragt, Quinny zu finden, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. Allerdings erfuhr Dan einiges über ihr Leben und über ihren Gemütszustand, was ihn sehr traurig machte. Seinen Großeltern brach es fast das Herz.
    Und nun, da er vor wenigen Tagen endlich jemandem begegnet war, der seine Mutter auf dem Foto erkannte, war er noch fester entschlossen als zuvor, sie zu finden. Sie ist in New York, sagte sich Dan. Ich werde herausfinden, wo sie ist. Ganz bestimmt.
    Aber wie soll ich sie ansprechen? Wie werde ich mich verhalten?
    Eigentlich gab es gar keinen Grund zur Sorge, denn er hatte das

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