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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Phantasie freien Lauf gelassen: eine Küche mit einem Oberlicht, die in ein Wohnzimmer mit offenem Kamin überging. Außerdem ein Esszimmer mit eingebauter Eckbank am Fenster und ein Ankleidezimmer neben dem Elternschlafzimmer. Nach ihren Angaben hatte Jimmy ein maßstabsgetreues Modell gebaut.
    Hoffentlich hat Jimmy diese Pläne aufgehoben, dachte Lisa.
    Sie griff in die Schublade und holte die Papierstapel heraus. Es waren nicht so viele, wie sie erwartet hatte, und darunter, auf dem Boden der Schublade, entdeckte sie eine große, mit Isolierband verklebte Schachtel. Nein, es waren sogar zwei. Da sie sich in der Schublade verklemmt hatten, musste Lisa in die Knie gehen und die Finger darunter schieben, um sie freizubekommen.
    Sie stellte die Schachteln auf den Tisch, nahm ein spitzes Werkzeug von der Wand, schlitzte das Isolierband auf und öffnete die erste.
    Entsetzt und ungläubig starrte sie auf die Geldbündel, die ordentlich aufgereiht in der Schachtel lagen: Zwanziger, Fünfziger, Hunderter, einige gebraucht, andere nagelneu. In der zweiten Schachtel befanden sich hauptsächlich Fünfziger.
    Eine Stunde später, nachdem Lisa die Scheine zweimal sorgfältig durchgezählt hatte, kam sie entgeistert zu dem Ergebnis, dass Jimmy Ryans Versteck im Keller fünfzigtausend Dollar enthielt. Jimmy Ryan, ihr geliebter Mann, der auf einmal ein Fremder geworden war.

    19
    In den zwei Jahren seit ihrem Umzug von Florida nach New York hatte sich Bonnie Wilson, Wahrsagerin und Medium, einen soliden Kundenstamm geschaffen, den sie in ihrer Wohnung in der West End Avenue empfing.
    Bonnie war dreißig Jahre alt und schlank und hatte schwarzes, glattes, dichtes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. Ihre Haut war bleich, ihr Gesicht beneidenswert ebenmäßig. Auch wenn Bonnie eher wie ein Fotomodell als wie eine Meisterin für das Übersinnliche aussah, war sie in Fachkreisen sehr bekannt. Vor allem Menschen, die mit einem geliebten verstorbenen Angehörigen in Kontakt treten wollten, wandten sich gern an sie.
    »Wir alle verfügen über hellseherische Fähigkeiten«, pflegte sie neuen Klienten zu erklären. »Einige mehr, andere weniger. Doch wir können diese Talente in uns entwickeln. Mir wurden sie in die Wiege gelegt. Schon als Kind konnte ich spüren, was in anderen vorging. Ich konnte mich in ihre Sorgen und Nöte einfühlen und ihnen dabei helfen, die Antworten zu finden, die sie suchten.
    Ich habe mich eingehend damit befasst, gebetet und mich Gruppen von Menschen angeschlossen, die diese Gabe teilen.
    Wenn jemand mich um Rat fragte, stellte ich fest, dass seine geliebten Angehörigen, die ihm ins Jenseits vorangegangen waren, sich zu uns gesellten. Manchmal hatten sie klare Botschaften. Andere wollten ihren Hinterbliebenen nur mitteilen, dass sie glücklich und wohlauf waren und dass sie sie für immer lieben würden. Im Laufe der Zeit gelang es mir immer besser, mit ihnen zu kommunizieren. Einige Leute empfinden das, was ich ihnen sage, als verstörend. Doch den meisten spendet es großen Trost. Ich möchte all denen helfen, die zu mir kommen, und ich bitte sie nur darum, mich und meine Gabe mit Respekt zu behandeln. Ich will etwas für die Menschen tun, denn Gott hat mir diese Fähigkeit geschenkt. Und deshalb ist es meine Pflicht, sie mit anderen zu teilen.«
    Bonnie wohnte regelmäßig den Sitzungen der New Yorker Gesellschaft für übersinnliche Phänomene bei, die am ersten Mittwoch jeden Monats zusammentrat. Wie erwartet war Gerti MacDermott, die sonst ebenfalls nie ein Treffen versäumte, heute nicht anwesend. Mit gedämpfter Stimme erörterten die übrigen Mitglieder die schreckliche Tragödie, die über ihre Familie hereingebrochen war. Gerti, die ohnehin zur Redseligkeit neigte, war ausgesprochen stolz auf ihre erfolgreiche junge Nichte und sprach häufig über ihre hellseherischen Fähigkeiten. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn sie sich der Gruppe angeschlossen hätte, doch bis jetzt hatte sie sie noch nicht zu einer Zusammenkunft locken können.
    »Ich habe den Mann ihrer Nichte, Adam Cauliff, bei einer Cocktailparty in Gertis Wohnung kennen gelernt«, sagte Dr.
    Siegfried Volk zu Bonnie. »Offenbar hatte Gerti ihn sehr gern.
    Ich glaube nicht, dass er sich sehr für unsere Arbeit oder für übersinnliche Phänomene allgemein interessierte, doch sie war sehr froh, dass er zu der Party erschienen war. Ein sehr charmanter Mann. Ich habe Gerti ein Beileidsschreiben geschickt und werde sie nächste

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