Vergiss die Toten nicht
gehabt hat. Denn er hätte sich beim Zusammenbauen der Bombe leicht selbst ins Jenseits befördern können.«
Ada Kaplan wäre vor Scham fast im Erdboden versunken, und sie vergoss bittere Tränen, als sie an das Getuschel der Nachbarn dachte. Während die Vierzimmerwohnung Zentimeter um Zentimeter durchsucht wurde, saß ihr Sohn Jed mit verächtlicher Miene am Tisch in der kleinen Essecke.
Ihn scheint das alles nicht zu stören, dachte sich Jack. Wenn er die Jacht gesprengt hat, bewahrt er die Beweisstücke sicher nicht hier auf.
Allerdings errangen sie einen kleinen Sieg in Form eines Tütchens mit Marihuana, das in einer Reisetasche im Wandschrank steckte. »Machen Sie mal ’nen Punkt«, protestierte Jed. »Sie sehen doch, dass das Zeug uralt ist. Ich kann mich nicht erinnern, es je gesehen zu haben. Außerdem war ich vor fünf Jahren das letzte Mal hier.«
»Das stimmt«, sprang Ada Kaplan für ihren Sohn in die Bresche. »Ich habe die alten Taschen in den Schrank gestellt, für den Fall, dass er sie noch einmal braucht. Doch er hat sie seit seiner Ankunft nicht angefasst. Ich schwöre.«
»Tut mir leid, Mrs. Kaplan«, erwiderte Brennan. »Und auch für Sie, Jed. Doch die Menge reicht für die Vermutung, dass der Stoff nicht nur für den Eigenbedarf bestimmt ist. Ich nehme Sie wegen Drogenbesitzes fest.«
Zwei Stunden später hatten Sclafani und Brennan Jed auf dem Revier abgegeben und in eine Arrestzelle sperren lassen. »Seine Mutter stellt die Kaution. Aber wenigstens war der Richter einverstanden, ihm den Pass abzunehmen«, meinte Brennan missmutig.
»Offenbar hat er seine Lektion gelernt, als er in Australien mit Sprengstoff im Auto erwischt worden ist«, sagte Jack Sclafani.
»In der Wohnung fand sich kein Hinweis darauf, dass er mit der Explosion der Jacht etwas zu tun hat.«
Sie gingen zu ihren Autos. »Wie war dein Besuch bei Lisa Ryan?«, erkundigte sich Brennan.
»Leider erfolglos. Ich war sicher, dass sie gleich zu reden anfangen würde, aber dann kamen die Kinder aus der Schule.«
Jack schüttelte den Kopf und holte den Zündschlüssel aus der Tasche. »Ich schwöre, noch zwei Minuten, und ich hätte sie so weit gehabt. Ich habe mich sogar noch ein wenig mit den Kindern unterhalten.«
»Hast du mit ihnen Plätzchen gegessen und Milch getrunken?«
»Und dann noch ein paar Tassen Kaffee mit ihrer Mutter, als die Kleinen wieder draußen waren. Glaub mir, ich habe es versucht. Doch sie hat sich nicht mehr von mir einwickeln lassen.«
»Warum hat sie plötzlich geschwiegen?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte Sclafani. »Ich vermute, sie möchte mir nichts erzählen, was dem Andenken von Jimmy Ryan in den Augen seiner Kinder schaden könnte.«
»Bestimmt hast du Recht. Gut, also bis morgen. Vielleicht schaffen wir dann endlich den Durchbruch.«
Während George Brennan zu seinem Wagen ging, klingelte sein Mobiltelefon. Man teilte ihm mit, dass an der Küste unweit der Verrazanobrücke, wo man auch das Holzstück und das zerfetzte Hemd gefunden hatte, eine Damenhandtasche entdeckt worden war.
In der klatschnassen Brieftasche steckten die Kreditkarten und der Führerschein von Winifred Johnson.
»Angeblich war die Tasche nicht einmal angesengt«, meinte Brennan, nachdem er die Verbindung beendet hatte. »Es ist wirklich seltsam. Wahrscheinlich ist sie in die Luft geflogen und im Wasser gelandet.«
»Oder sie war nicht an Bord, als die Bombe hochging«, meinte Sclafani nach einer nachdenklichen Pause.
37
N
ell verbrachte den Nachmittag mit der Beantwortung der Beileidsschreiben, die sich schon die ganze Woche auf ihrem Schreibtisch türmten. Als sie fertig war, war es fast fünf Uhr. Ich muss für eine Weile hier raus, dachte sie. Außerdem hatte ich die ganze Woche keine Bewegung.
Sie zog Shorts und ein T-Shirt an, steckte eine Kreditkarte und zehn Dollar ein und joggte die drei Häuserblocks zum Central Park. An der 72. Straße bog sie in den Park ein und lief nach Süden. Früher bin ich dreimal wöchentlich zum Joggen gegangen, dachte sie. Warum bin ich nur so nachlässig geworden?
Während sie in gewohntem lockerem Trab dahinjoggte und das Gefühl genoss, sich endlich einmal wieder frei und ungezwungen bewegen zu können, dachte sie an die vielen Beileidsschreiben, die sie erhalten hatte.
»Offenbar warst du so glücklich mit Adam…«
»Es tut uns so Leid, dass Sie so eine Tragödie erleben mussten…«
»Wir sind immer für dich da…«
Weshalb habe ich in keinem einzigen
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