Vergiss die Toten nicht
seinen tief besorgten Blick bemerkte. Bestürzt wurde ihr klar, dass man Mac in letzter Zeit sein Alter zunehmend ansah.
Wie sie sich noch erinnerte, hatte Mac ihr nach ihrer Hochzeit mit Adam geraten, getrennte Steuererklärungen abzugeben.
»Nell«, hatte er verkündet, »du strebst eine politische Karriere an. Und das heißt, dass ständig die Geier über dir kreisen und versuchen werden, dir einen Fehler nachzuweisen. Du darfst ihnen keine Gelegenheit geben, dich mit Dreck zu bewerfen. Lass Adam seine eigene Steuererklärung einreichen. Denn er könnte darin in aller Unschuld etwas so darstellen, dass man dir später einen Strick daraus dreht. Versteuere dein Einkommen selbst, und zwar so einfach wie möglich, ohne komplizierte Abschreibungstricks.«
»Ja, Mac, ich habe mich getrennt veranlagen lassen«, erwiderte sie barsch. »Also zerbrich dir nicht den Kopf darüber.« Wieder wollte sie aussteigen, doch sie wandte sich noch einmal um. »Sei offen zu mir. Gibt es da etwas, das ich wissen sollte? Hast du eindeutige Beweise dafür, dass Adam in unlautere Machenschaften verwickelt war?«
»Nein«, entgegnete er zögernd und schüttelte den Kopf. »Da ist nichts.«
»Also schließt du nur aus Gerüchten, dem Leugnen von Walters und Arsdale und aus deinem berühmten Instinkt, dass Adam bei den Umtrieben, die die Staatsanwaltschaft jetzt untersucht, die Hand im Spiel hatte?«
Er nickte.
»Mac, mir ist klar, dass du nur mein Bestes willst, und auch, dass ich dich dafür lieben sollte, aber…«
»Im Augenblick habe ich nicht den Eindruck, dass du mich besonders liebst, Nell.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Da hast du Recht. Aber eigentlich habe ich dich sehr gern. Glaub mir, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.« Mit einem entschuldigenden Blick auf Carlos stieg sie endlich aus. Als der Aufzug ihre sichere Wohnung erreichte, hatte Nell einen Entschluss gefasst.
Bis jetzt hatte sie sich nie auf ihre hellseherischen Fähigkeiten eingelassen. Und dass ein Medium in Kontakt mit Verstorbenen treten konnte, war für sie unvorstellbar; sie tat es als Hokuspokus ab. Doch wenn Bonnie Wilson angeblich mit Adam in Verbindung stand, musste sie dieser Behauptung auf den Grund gehen.
Mir bleibt nichts anderes übrig, sagte sie sich. Hier dreht es sich nicht um mich, sondern um Adam.
36
S
eit der Explosion auf der Cornelia II durchkämmten Suchmannschaften der Küstenwache das Hafenbecken nach Überresten von Jacht und Passagieren und sammelten verschiedene Trümmer ein. Am Freitagnachmittag wurde zum ersten Mal seit vier Tagen ein wichtiger Fund gemacht.
Unweit der Verrazanobrücke trieb ein anderthalb Meter langes zersplittertes Stück Holz auf den Wellen und wurde an Land gespült. Fetzen eines fleckigen blauen, mit menschlichen Knochensplittern durchsetzten Polohemdes hatten sich darin verfangen.
Diese traurige und makabere Entdeckung bestätigte der Suchmannschaft, dass sie die Überreste eines weiteren Opfers aufgespürt hatten. Man hatte Sam Krauses Sekretärin gebeten zu beschreiben, was ihr Arbeitgeber getragen hatte, als er sich auf den Weg zu der Besprechung auf der Jacht machte. Die Frau war sicher, dass es ein langärmeliges blaues Polohemd und eine Khakihose gewesen waren.
George Brennan erfuhr davon, als er gerade im Begriff war, sein Büro zu verlassen, um sich mit Jack Sclafani in der Vorhalle des Hauses 14. Straße, Nummer 405, an der Ostseite von Manhattan zu treffen. In der Tasche hatte er ein Papier, das ihn berechtigte, die Wohnung von Ada Kaplan zu durchsuchen, deren Sohn inzwischen stark im Verdacht stand, die Cornelia II in die Luft gesprengt zu haben.
Sie blieben eine Weile in der Vorhalle stehen, während Brennan Jack von dem neuesten Fund erzählte. »Der Täter hat genug Sprengstoff benutzt, um einen Ozeandampfer zu Kleinholz zu verarbeiten, Jack. Am vergangenen Freitag eignete sich das Wetter hervorragend zum Bootfahren. Soweit ich informiert bin, waren eine ganze Menge kleiner Jachten draußen. Ein Glück, dass die meisten schon wieder in Richtung Hafen segelten, als Cauliffs Boot explodierte. Nicht auszudenken, wie viele Tote wir jetzt hätten, wenn noch jemand in der Nähe gewesen wäre.«
»Glaubst du, der Täter hat eine Fernbedienung oder einen Zeitzünder benutzt? Jedenfalls hat er die Sache sorgfältig geplant.«
»Ja, das kann man sagen. Entweder war es jemand, der sich mit Sprengstoff auskennt – so wie Jed Kaplan –, oder ein Amateur, der verdammtes Glück
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