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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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offenbar auch damit einverstanden.
    Lisa sah Kelly an, die weiterhin teilnahmslos dasaß. Es war, als hätte sie gar nicht zugehört. Ihr Teller mit Spaghetti war fast unberührt.
    Lisa wusste, dass sie sie nicht unter Druck setzen durfte. Sie brauchte mehr Zeit, um den Verlust zu verarbeiten. Doch Lisa durfte sich jetzt nicht weiter mit diesen Problemen beschäftigen.
    Sie musste den Tisch abräumen, die Kinder an die Hausaufgaben setzen und um halb acht in Manhattan sein.
    »Kyle«, sagte sie, »kannst du mir gleich nach dem Essen helfen, ein paar Päckchen aus Daddys Werkstatt nach oben zu tragen? Sie gehören einem Arbeitskollegen, und ich bringe sie zu einer Dame, die sie zurückgeben wird.«

62
G
    leich nach seinem Dienst im Krankenhaus suchte Dan Minor Cornelius MacDermott am Mittwochnachmittag in dessen Büro auf. Als er telefonisch einen Termin vereinbaren wollte, hatte er erfahren, dass Nell seinen Anruf bereits bei ihrem Großvater angekündigt hatte.
    MacDermott begrüßte ihn herzlich. »Wie ich höre, haben Sie und Nell beide in Georgetown studiert.«
    »Ja, aber ich war sechs oder sieben Jahre über ihr.«
    »Und wie gefällt es Ihnen in New York?«
    »Meine beiden Großmütter sind hier geboren, und meine Mutter wuchs bis zu ihrem elften Lebensjahr in Manhattan auf.
    Dann sind sie in die Umgebung von Washington gezogen. Also hatte ich schon immer das Gefühl, dass ich von meinem Familienerbe her mit einem Fuß in New York und mit dem anderen in Washington stehe.«
    »Mir ging es genauso«, meinte MacDermott. »Ich bin in diesem Haus geboren, damals war das hier noch kein wohlhabendes Viertel. Die Leute witzelten sogar, es genüge, die Dämpfe aus der Brauerei Jacob Rupert einzuatmen, um einen Rausch zu bekommen.«
    Dan schmunzelte. »Billiger als ein Kasten Bier.«
    »Aber der Genuss fehlt.«
    Beim Plaudern kam Cornelius MacDermott zu dem Schluss, dass ihm Dr. Dan Minor sehr sympathisch war. Zum Glück ist er nicht nach seinem Vater geraten, dachte er. Im Laufe der Jahre war er Dans Vater bei vielen offiziellen Veranstaltungen in Washington begegnet, und er fand ihn aufgeblasen und langweilig. Offenbar war Dan aus einem anderen Holz geschnitzt.
    Die meisten Männer hätten einer Mutter, die sie verlassen hatte, wahrscheinlich keine Träne nachgeweint, vor allem nicht, wenn es sich bei dieser Frau um eine obdachlose Alkoholikerin handelte. Dieser Sohn hingegen wollte sie finden und ihr helfen.
    Ein Mann nach meinem Geschmack, sagte sich MacDermott.
    »Ich werde sehen, ob ich ein paar dieser Bürokraten aus ihrem Schlaf aufscheuchen und sie auf Quinnys – wie Sie sie nennen –
    Fährte ansetzen kann«, meinte er. »Sie haben mir erzählt, sie sei zuletzt in den besetzten Häusern am Tompkins Square gesehen worden, und zwar im September, vor etwa neun Monaten.«
    »Ja, aber ihre Freunde hier vermuten, sie könnte die Stadt verlassen haben«, erklärte Dan. »Aus dem wenigen, was ich erfahren konnte, schließe ich, dass sie damals wieder an Depressionen litt, und in diesem Zustand zieht sie sich von anderen Menschen zurück. Sie sucht sich dann immer irgendwo ein Loch, um sich zu verkriechen.«
    Beim Sprechen wuchs Dans Gewissheit, dass seine Mutter nicht mehr am Leben war. »Wenn sie noch lebt, möchte ich mich um sie kümmern. Aber vielleicht ist sie ja inzwischen gestorben«, meinte er zu Cornelius. »Wenn das so ist und wenn sie in einem Armengrab bestattet wurde, werde ich sie in unser Familiengrab in Virginia überführen lassen. Wie dem auch sei, für meine Großeltern wäre es sicher eine Erleichterung, zu wissen, dass sie nicht mehr krank und vielleicht verwirrt durch die Straßen wandert«, fügte er hinzu. »Auch ich könnte dann wieder Frieden finden«, gab er zu.
    »Haben Sie Fotos von ihr?«, fragte Cornelius.
    Dan holte das Bild, das er immer bei sich trug, aus seiner Brieftasche, und reichte es Nells Großvater.
    Als Cornelius MacDermott das Foto betrachtete, spürte er plötzlich einen Kloß in der Kehle. Die Liebe zwischen der hübschen jungen Frau und dem kleinen Jungen in ihren Armen schien ihm aus der abgegriffenen Schwarz-Weiß-Aufnahme entgegenzuleuchten. Mutter und Sohn hatten vom Wind zerzaustes Haar und pressten die Wangen aneinander. Der Kleine hatte die Ärmchen fest um ihren Hals geschlungen.
    »Ich habe auch ein Bild von ihr, das aus einem Dokumentarfilm über Obdachlose stammt. Die Sendung wurde vor sieben Jahren von PBS ausgestrahlt. Ich habe es per Computer künstlich

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