Vergiss es Baby - Roman
neuerdings trank und das schon am helllichten Tag. Er ernährte sich schlecht und tat absolut nichts für seine Fitness. Innerhalb kürzester Zeit war er von einem ambitionierten Sportler zu einem untätigen Wesen mutiert. Natürlich war Marlene schuld an seiner Apathie. Seitdem er eine Ehefrau hatte, schien er prima ohne Ball auszukommen.
»Nun, ich war …« Der Impuls, sie einzuweihen, war übermächtig. »Ich meine, ich bin … also eigentlich … Fußballer.«
Ups! Seine Spontaneität überraschte ihn selbst, doch der Schreck über sein Geständnis wich grenzenloser Erleichterung. Die Heimlichtuerei war ja eine Weile ganz witzig gewesen, doch inzwischen hatte er das Versteckspiel gründlich satt. Selbst Schlagzeilen à la »Meine turbulenten Tage mit Valentin Balakev«,
die er sich im Geiste ausmalte, konnten ihn nicht mehr schocken. Mochte die Presse doch schreiben, was sie wollte, er würde es schon wegstecken. Alles war besser, als von Marlene für einen stinkfaulen, untalentierten Nichtsnutz gehalten zu werden, der lieber anderen auf der Tasche lag, als sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Sie lachte. So hysterisch, als habe sie im Preisausschreiben eine Million Euro gewonnen.
»Na toll. Ich hatte schon immer eine große Vorliebe für Männer, die lieber spielen, statt für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Zwar ist die Spielphase bei den meisten mit der Pubertät abgeschlossen, aber es soll durchaus Ausnahmen geben. Manche …«, sie lächelte ihn freundlich an, »bleiben eben ihr Leben lang Kind.«
Ihre beißende Ironie war so ziemlich das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Mochte sie ihn für unreif halten, darüber konnte er hinwegsehen. Schlimmer war, dass sie ihm kein Wort glaubte. Ebenso gut hätte er ihr erzählen können, er sei Astronaut, und sein Abflug zum Mars stehe unmittelbar bevor.
»Wie man’s nimmt. Jeden Tag vier Stunden Training. Mindestens. Unzählige Meetings mit Werbevertretern und Sponsoren. Dann die Pressetermine. Da bleibt wenig Zeit für Privatleben.«
»Ach, du Ärmster. Das klingt wirklich nach einer Menge Stress.« Der Spott troff aus ihren Worten wie der Ketchup aus einem Hamburger und befleckte seine Weste mehr als nötig. Er fühlte sich miserabel. Ausgerechnet jetzt, wo er sich in dem Gefühl hatte sonnen wollen, ihr endlich die Wahrheit gesagt zu haben.
»Und dann die Frauen!«, fuhr sie fort. »Wie hältst du es mit denen?« Kichernd schlug sie sich auf die Schenkel. »Es dürften ja nicht wenige sein, die sich dir an den Hals werfen. Gut, mit diesen Haaren ist es natürlich schwieriger, aber den Anblick gleicht dein Charme locker aus.«
Er erkannte sie nicht wieder. Eben noch am Boden zerstört, sprühte sie jetzt vor guter Laune.
»Darf ich fragen, welcher Verein sich glücklich schätzen darf, dein Ausnahmetalent verpflichtet zu haben?«
»Da gibt es zur Zeit ein paar Probleme«, druckste er herum.
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Fast hätte sie sich an einer getrockneten Tomate verschluckt. »Die sind wahrscheinlich spielerischer Natur. Ebenso taktischer. Bestimmt aber finanzieller.«
»Damit triffst du den Nagel auf Kopf.«
Jetzt! Das war die Gelegenheit! Er würde einfach mit der Wahrheit rausrücken und um Verständnis für seine Situation werben. Nur wie?
Vielleicht so?
Gestatten: Valentin Balakev. Profifußballer. Zurzeit ohne Verein. Das glaube ich zumindest. So genau weiß ich das aber nicht. Wie auch immer. Ich habe Mist gebaut. Zur Strafe lassen mich die anderen jetzt nicht mehr mitspielen. Ich will aber! Ganz doll sogar! Ich werde es allen zeigen. Allen! Dazu brauche ich nur eine zweite Chance!
Marlene hatte sich immer noch nicht wieder eingekriegt. Verzückt lächelte sie ihn an. Charlize, seine Ex, hatte dieses entrückte Lächeln gehabt, wann immer sie in einem Schuhgeschäft ein heruntergesetztes Paar aus der letzten Kollektion ihres
Lieblingsdesigners entdeckt hatte. Rote Schuhsohlen zum Schnäppchenpreis, das war ihre Vorstellung vom Glück. Wie oft hatte er sich gewünscht, diese Mischung aus Gier, Zärtlichkeit, Sehnsucht und Hingabe würde ihm gelten
Vor seinem inneren Auge sah er Marlene und sich Arm in Arm im Wald spazieren gehen. Sie streifte ihre derben Treter von den Füßen, stopfte sie samt Strümpfen in ihren Rucksack und sprang barfuß übers Moos. Ohne Vorwarnung wurde Valentin von erotischen Gefühlen erfasst. Merkwürdig und so unpassend, dass er fast einen Teller vom Tisch gefegt hätte. Dabei hatte
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