Vergiss es Baby - Roman
seinen Kaffeebecher und rührte ausgiebig um. »Das ist
eine Menge Arbeit. Ständiger Stress, weil man verkrampft ist. Ständige Angst, etwas falsch zu machen. Es ist doch viiiiiiiel entspannter, hier mit euch gemütlich zu sitzen und zu frühstücken.«
»Aber Flo«, mischte Rosanna sich ein, »du hast Valentin doch nicht allen Ernstes für schwul gehalten, oder?« Sieh mal an. Wenn Marlene sich richtig erinnerte, war es Rosanna gewesen, die eben diesen Verdacht geäußert hatte.
»Das nicht gerade«, gab Florian zu, »aber hetero heißt heutzutage ja wirklich gar nichts mehr. Wisst ihr eigentlich, wie viele Männer bi sind? Eine Menge, sage ich euch. Wie soll sich da noch einer auskennen? Diese ganze Anmache ist wirklich verdammt unübersichtlich geworden, das kann ich euch sagen.«
»Also, ich fühle mich da nicht angesprochen«, protestierte Karl. Die traute Frühstücksrunde lachte. Valentin stand auf und schaltete das Radio ein. Bayern3 erfreute seine Hörer mit den Pretenders. Die Stimme von Chrissie Hynde füllte die Küche.
»Ach, Valentin, eh ich’s vergesse«, Florian klaute sich eine Scheibe Ananas von Valentins Teller, als dieser nicht hinsah. »Kannst du mir heute noch einmal zur Hand gehen? Ich muss den Teich anlegen und die Sträucher einpflanzen. Ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen.«
Plötzlich war es mucksmäuschenstill. Bis Marlene einen Hustenanfall vortäuschte. Rosanna prustete los, und Florian sah verständnislos von einem zum anderen. Wieder zog Valentin es vor zu schweigen.
»Ich hab’s gewusst.« Karl sprang auf und fuchtelte mit dem ausgestreckten Finger dicht vor Valentins Nase herum. Es war
eben einfacher, jemandem ein Auge auszustechen, als ein Klischee auszurotten. »Du bist Gärtner!«
»Ja«, bestätigte Florian, während Valentin vorsichtshalber aufstand, »ein Kollege von mir. Geht mir ein bisschen zur Hand. Der Großauftrag in Aubing. Ich habe dir doch davon erzählt.«
»Ein verdammter Gärtner! «, wiederholte Karl fassungslos. »Das gibt es doch gar nicht!«
»Tut mir leid, Flo. Heute geht es leider nicht.« Valentin zog Marlene von ihrem Stuhl hoch, wobei er fester als nötig ihre Hand umklammerte. »Ich habe noch einen kleinen Nebenjob.« Beschützend legte er den Arm um ihre Taille und zog sie leicht zu sich heran. »Am Wochenende arbeite ich als Chauffeur.« Seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben, als er sie ansah. »Für diese Dame hier.«
»Zieh dich an, Babe«, raunte er ihr ins Ohr. Seine Stimme klang derart sexy, dass sie am liebsten das Gegenteil getan hätte. »Ich glaube, wir verschwinden hier wohl besser.«
Kapitel elf
Eine Viertelstunde später standen sie vor Marlenes BMW und stritten sich, wo sie hinfahren sollten.
»Es ist Wochenende. Wir könnten einen kleinen Ausflug machen«, schlug Valentin vor. Er hielt ihr die Beifahrertür auf und bestand darauf, dass sie sich nach hinten setzte. Sie tat ihm den Gefallen und ließ sich auf die Rückbank fallen.
Valentin bugsierte den Wagen gekonnt aus der engen Parklücke und fädelte sich auf der Nymphenburger Straße in den Verkehr ein.
»Was hältst du von Starnberger See?«, fragte er. »Oder stehen Kundenbesuche an?«
Normalerweise schaute sie samstags gerne bei ihren Stammkunden vorbei, bevor der Trubel in den Gaststuben so richtig losging, aber im Moment gab es Wichtigeres. »Wir gehen einkaufen.«
Befriedigt sah sie im Rückspiegel, wie Valentin die Augenbrauen hochzog.
Seine umsichtige Fahrweise brachte sie schnell auf die Palme. Zebrastreifen schienen für ihn so etwas wie kleine, vom tosenden Verkehr verschonte Inseln zu sein, vor denen man grundsätzlich auf die Bremse trat. Nicht etwa, um sich aus der Kühlbox zu bedienen, denn das hätte sie verstanden. Nein. Hier stoppte man einfach so, um einer Mutter mit Kind das Überqueren
der Straße zu ermöglichen, also ohne ersichtlichen Grund. Lächerlich.
Sie dirigierte Valentin in Richtung Innenstadt und dann auf die Leopoldstraße, wo er sich einen Spaß daraus machte, an Ampeln zu halten, die gerade erst auf Gelb gesprungen waren. Eine Angewohnheit, die Marlene mit einem abfälligen Schnaufen quittierte.
Sie war erleichtert, als sie endlich den Parkplatz an der Münchner Freiheit erreichten, wo es überraschenderweise noch freie Plätze gab. War ja auch erst zehn. Die Leute hatten an einem strahlend schönen Frühlingstag wie diesem bestimmt etwas Besseres zu tun, als sich dem Stress auszusetzen, freiwillig einkaufen zu gehen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher