Vergiss es Baby - Roman
ernsthaft wundern«, fuhr Marlene unbeirrt fort, »wenn sich die Herren sämtliche Finger danach lecken?«
Eigentlich hatte sie nach Ende der Veranstaltung mit Valentin bei dem kleinen Italiener in der Dietlindenstraße zu Mittag essen wollen, doch dazu hatte die Zeit nicht gereicht. Also war Valentin, vollständig rehabilitiert und bester Laune, entschwunden, während sie mit knurrendem Magen und klopfendem
Herzen in der Lobby des Marriott herumsaß. Wenn sie wenigstens gewusst hätte, wie ihr Gesprächspartner aussah! Aber der hatte um seine wahre Identität ein solches Geheimnis gemacht, als sei er geradewegs der Unterwelt entstiegen. War ja auch kein Wunder, bei jemandem, der sich Vito nannte. Sie hatten in den letzten Tagen viel telefoniert. Es war immer lustig gewesen, auch wenn sie das Rätsel, wie er eigentlich auf sie gekommen war, nicht ganz hatte lösen können. Es war überflüssig, Genaueres erfahren zu wollen, Vito hatte so seine Quellen. Alles, was sie wusste, war, dass er mit dem Marketingmenschen eines der Clubs in Verbindung stand, die sie angeschrieben hatte.
Während sie wartete, überlegte sie, ob Vito und Mr. X wohl unter einer Decke steckten. Möglich wäre es. Die Kontrolle über die Medien konnte für gewisse Kreise doch nur von Vorteil sein. Ebenso wie die Kontrolle über die Bundesliga. War Vito deshalb an Valentin interessiert? Erwartete er für einen gut dotierten Vertrag gewisse »Gegenleistungen«? Was, wenn Valentin nicht mitspielte?
Sie war wirklich nervös, immerhin war es alles andere als alltäglich, sich mit dem Paten der Stadt zu treffen. Es gab zwar keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie einen solchen vor sich haben würde, aber es war auch nicht ausgeschlossen, oder? Schließlich machte sie Geschäfte in der Welt des Sports. Da war eben alles möglich!
Sie rief sich zur Ordnung, bevor die Fantasie völlig mit ihr durchging.
»Sie müssen Frau Dittrich sein!«
Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie seinen Auftritt
verpasst hatte. Ein Mann stand vor ihr, nein, ein Hüne, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Er trug Klamotten, die er entweder direkt aus der Kleiderkammer des SEKs entwendet hatte, oder aber, was auch nicht besser war, er hatte den Verein längst unterwandert.
Was sollte das? Der Kerl wusste ganz genau, wer sie war. Außerdem war er doch wohl bei der Pressekonferenz gewesen. Obwohl … jemanden wie ihn hätte sie kaum übersehen können.
Sie stand auf, um ihm die Hand zu geben, die in seiner riesigen Pranke verschwand.
»Sagen Sie, Frau Dittrich, was sagen Sie denn zu der großen Neuigkeit?« Er tippte auf die Tageszeitung, die er zusammen mit anderen Zeitschriften unter dem Arm trug.
Hilfe! Wovon redete der Kerl? Die Sportseite hatte sie sich gespart. Ein schwerer Fehler. Sie musste es endlich schaffen, all die Zeitungen, die sie dauernd kaufte, auch zu lesen! Gleich morgen würde sie damit anfangen.
»Ja, das ist sehr interessant«, murmelte sie und ließ sich in das Polster der ausladenden Ledercouch zurückfallen. Er nahm ebenfalls Platz, und sie musterte ihn ausgiebig. Sein schwarzes T-Shirt spannte sich um einen durchtrainierten Oberkörper und sein kahl geschorener Schädel glänzte mit dem Leder seiner gewienerten Cowboyboots um die Wette. Immerhin trug er keine Springerstiefel.
»Wirklich sehr, sehr interessant.«
»Aber das haben Sie doch geahnt, hab ich recht?«
Sie winkte dem Kellner, um Zeit zu gewinnen. Sie brauchte dringend einen Cappuccino, und natürlich etwas Gebäck. Lieber hätte sie Prosecco getrunken, aber der Kerl schüchterte
sie derart ein, dass sie dringend einen klaren Kopf behalten wollte.
Er starrte sie an, als könne er Gedanken lesen. Wahrscheinlich wusste er längst, dass ihr Magen nach Keksen, Schokobrezeln oder ein paar Kräckern verlangte, für deren Auftauchen in Reichweite sie glatt geneigt gewesen wäre, ihm zu vertrauen. Ein bisschen zumindest.
»Wie ich sehe, lässt Sie die Nachricht völlig kalt. Das gefällt mir. Ich glaube, es wird mir eine Freude sein, mit einem echten Profi Geschäfte zu machen.«
O Gott! Er nahm sie auf den Arm. Er wusste, dass sie bluffte. Es konnte gar nicht anders sein. Sein merkwürdiger Gesichtsausdruck, mit dem er sie anstarrte, sagte doch wohl alles.
Der Kellner trat an ihren Tisch, und sie bestellte sich einen Cappuccino.
»Wenn Sie gestatten, Frau Dittrich, dann würde ich gerne Champagner bestellen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?«
Langsam wurde ihr der
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