Vergiss mein nicht
vergewaltigt wurden? Wie ging es Ihnen dabei?«
» Sag mir, warum du das wissen möchtest, dann erzähl ich es dir.«
Er zog an seinem Joint, bis er aufgeraucht war. Er sah sich nach einer Ablage für die Kippe um, und Lena schob ihm einen Teller hin.
Er setzte sich auf, stützte die Ellbogen auf die Knie. » Ich frag mich manchmal, warum die Leute gewisse Sachen machen.«
» Das tue ich auch«, sagte sie. » Zum Beispiel, warum Jenny dich erschießen wollte.«
Er winkte ab. » Sie wollte mich nicht umbringen.«
» Und darum hast du dir also in die Hosen gepisst?«
Er lachte: » Hinterher ist man immer klüger.«
» Warum hätte sie es tun wollen, Mark?«
» Sie hat gedacht, sie könnte es stoppen.«
» Was stoppen?«
» Mich stoppen?«, fragte er, als ob Lena die Antwort bereits kannte.
» Wobei stoppen?« Sie wartete auf seine Antwort, und als er schwieg, versuchte sie es anders: » Erzähl mir von der Party mit Carson und den anderen Jungs.«
Er sagte hämisch: » Carson ist ein Weichei.«
» Warum hast du Jenny dazu gebracht, mit denen zu schlafen?«
» Einen Scheiß hab ich getan«, zischte er. » Sie wollte es. Sie wollte mich eifersüchtig machen, mir zeigen, dass es nichts für sie bedeutete.«
» Hat aber auch nicht geschadet, sie betrunken zu machen, oder?«
» Na ja«, sagte er und winkte lässig ab.
» Was meinte Jenny stoppen zu können, Mark?«, fragte Lena. » An jenem Abend bei Skatie’s. Was meinte sie stoppen zu können?«
Mark verzog den Mund, um zu antworten, aber schien es sich dann anders zu überlegen. Er fragte: » Glauben Sie, dass Sie meine Schwester finden?«
» Weißt du, wo sie ist?«
Er senkte den Blick, und sie überlegte, ob er tatsächlich wusste, wo Lacey sich befand, oder ob er ein schlechtes Gewissen hatte, weil er es nicht wusste.
Lena lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und wartete darauf, dass er endlich mit der Wahrheit herausrückte.
» Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt da bin«, sagte er. » Also, ich bin zwar im Zimmer, und vielleicht atme ich auch, aber eigentlich sieht mich keiner.« Er rieb sich die Augen. » Und dann denke ich wieder, wenn ich doch nicht hier bin, dass ich ja dann wohl woanders sein müsste. Also dass ich vielleicht einfach abdrücken sollte, wissen Sie?«
Lena nickte, weil sie das kannte.
» Was hat Sie gestoppt?«, fragte er. » Warum haben Sie denn nicht abgedrückt?«
Sie sagte ihm die Wahrheit, erwähnte aber die Pillen nicht. » Ich dachte daran, dass mein Partner mich am Morgen finden würde, und das wollte ich ihm nicht antun.«
» Glauben Sie an Gott?«
» Ich weiß nicht genau«, antwortete sie. » Und du?«
Er schüttelte den Kopf.
» Bist du deswegen nicht mehr zur Kirche gegangen?«
Er sah sie zornig an. » Spielen Sie jetzt nicht den Cop.«
» Ich bin ein Cop«, sagte Lena beherrscht. Sie legte die Hand auf seinen Arm. » Ich will wissen, was geschehen ist. Warum wollte Jenny dich umbringen?«
Er seufzte, fläzte sich in die Kissen. » Sie war so ein süßes kleines Ding«, sagte er. » Ich hab sie wirklich sehr gemocht.«
» Ich weiß.«
» Wirklich?«, fragte er. » Verstehen Sie wirklich, was es bedeutet, wenn einem jemand am Herzen liegt?«
Lena dachte an Sibyl, als sie sagte: » Ja, das weiß ich.«
» Ich nicht«, sagte er. » Das heißt vor Jenny. Ich hab dieses Gefühl nicht gekannt.«
» Du liebst doch deine Mutter.«
Sein Lachen klang hohl. » Sie wird bald sterben, stimmt’s?«
Lena presste die Lippen aufeinander.
» Ich fühle es«, sagte er und legte eine Hand aufs Herz. » Irgendwie hab ich es heute Morgen gefühlt, sie wird nicht mehr lange durchhalten, sie will loslassen.« Er weinte. » Wir haben so eine Verbindung, verstehen Sie. Also, ich kann fühlen, was sie fühlt.« Abrupt wandte er sich ihr zu, Verzweiflung in der Stimme. » Wussten Sie es, als Ihre Schwester starb?«
» Ja«, log Lena. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie sich auf dem Rückweg von Macon befunden und keine Ahnung gehabt, dass etwas Schreckliches geschehen war. » Ich habe es hier fühlen können.« Sie legte die Hand auf die Brust.
» Dann wissen Sie es ja«, sagte er. » Dann wissen Sie ja, wie sich diese Leere anfühlt.«
Lena nickte nur.
Mark sah weg und schloss die Augen. Sie betrachtete sein Profil, die schmale Nase und das kantige Kinn. Tränen rannen ihm übers Gesicht und fielen auf seine Brust.
» Das erste Mal«, begann Mark leise. » Ich glaube, es war an Thanksgiving.«
Lena sagte
Weitere Kostenlose Bücher