Vergiss mein nicht
unser Fall bekommt Top-Priorität.«
Lena nickte und dachte, dass sie ihn noch nie so zornig gesehen hatte, nicht einmal wegen ihr.
Er wählte eine neue Nummer. Während er auf Antwort wartete, instruierte er Lena: » Ich möchte, dass du ihr auf den Kopf zusagst, was du weißt. Ich möchte, dass du ihr haarklein wiederholst, was Mark dir erzählt hat, und ich will, dass du herausfindest, was sich verdammt nochmal da eigentlich abspielt.«
» Glaubst du denn, dass die Frau mir was erzählt?«
» Ihre Tochter ist verschwunden«, erinnerte er sie. » Wir haben ihren Mantel hier gefunden.«
Lena betrachtete ihre Hände. » Wenn du bedenkst, was sie Mark angetan hat, meinst du, dass sie das kümmert?«
Er klappte das Telefon wieder zu und sah ihr in die Augen. » Offen gestanden, Lena, ich hab nicht die geringste Ahnung, was ich von all den Menschen halten soll, die in diesen Fall verwickelt sind.«
Er wollte sein Telefon gerade wieder aufklappen, als es läutete. Bevor er sich meldete, gab er Lena die Autoschlüssel und sagte: » Los!«
Donnerstag
Fünfzehn
J effrey fühlte sich, als sei er mit einer Holztür über einen Korridor geschleudert worden. Die Arme schmerzten, und seine Knie schienen sich nie wieder beugen zu wollen. Die Arbeit im Haus der Weavers hatte den Rest des Tages in Anspruch genommen, aber als er Sara um ein Uhr morgens anrief, hatte sie nicht gezögert, ihn zu sich kommen zu lassen. Einerseits machte es ihn nervös, dass sie beide so leicht wieder zueinandergefunden hatten. Er fürchtete, dass irgendwo ein Haken war, dass Sara plötzlich sagte, sie könne oder wolle doch nicht so weitermachen. Aber andererseits war er so verdammt glücklich, in ihrem Leben wieder eine Rolle zu spielen, dass er jede Minute mit ihr möglichst intensiv genießen wollte. Sogar zusammen mit ihr in der Badewanne und beim Gespräch über einen der furchtbarsten Fälle, an denen er je gearbeitet hatte, fühlte er sich geborgen.
Er betrachtete Sara, die ihm gegenüber in der Wanne an ihrem Wein nippte und offenbar erst verdauen musste, was er ihr gerade erzählt hatte. Jeffrey hatte fast vergessen, wie groß die klauenfüßige Badewanne in ihrem Badezimmer war: fast zwei Meter lang mit den Armaturen in der Mitte und deswegen perfekt für zwei Personen. Sie hatten ihr halbes Eheleben in dieser Badewanne verbracht.
Sara setzte ihr Glas kurz auf dem Knie ab. » Wo ist Lena jetzt?«
» Im Krankenhaus«, antwortete Jeffrey. » Die Patterson hält noch durch.«
» Hat sie was gesagt?«
» Grace?«, fragte Jeffrey. Sara nickte, und er fuhr fort: » Sie ist ziemlich klar im Kopf, aber wegen der Schmerzen an eine dieser Morphiumpumpen angeschlossen.«
» An Brustkrebs zu sterben ist unglaublich qualvoll.«
» Gut so«, sagte er und beugte sich über den Rand der Wanne, um nach seinem Weinglas zu greifen. Da seine Eltern so ein leuchtendes Beispiel abgegeben hatten, hatte Jeffrey keine Schwäche für Alkohol, aber nach den Ereignissen des Tages brauchte er einen Schluck, um sich entspannen zu können. Bevor er mit Sara über alles zu reden begonnen hatte, war alles in seinem Kopf durcheinandergewirbelt. Er konnte sich nicht nur auf eine Sache konzentrieren, wie es eigentlich sein sollte. Zu viele Bruchstücke des Falls mussten zusammengesetzt, zu viele Fragen noch beantwortet werden. Und irgendwie half ihm der Alkohol dabei.
Sara fragte: » Glaubst du wirklich, Grace Patterson wird auf dem Sterbebett ein Geständnis ablegen?«
» Eigentlich nicht, aber man weiß ja nie…« Er hielt inne, um genau abzuwägen, was er sagen wollte. » Lena hat, was Mark betrifft, ihre eigene Theorie.«
» Und die wäre?«
» Sie behauptet, dass er vergewaltigt worden ist.«
» Das stimmt doch auch«, meinte Sara. » Oder willst du etwa behaupten, dass er sich aus freien Stücken für diese Magazine hat fotografieren lassen und dass er es war, der seine Mutter verführt hat?«
» Natürlich nicht«, sagte er, froh, dass sie es auch so sah. » Nein, aber ich mache mir um Lena wirklich große Sorgen.«
» Sie tut ihr Bestes«, wandte Sara ein. » Lass ihr Zeit.«
» Ich kann einfach das Risiko mit ihr nicht eingehen, Sara.« Er rieb sich die Augen und roch immer noch Benzin an seinen Fingern, obwohl er sich gründlich abgeschrubbt hatte. » Sie steht zu dicht am Abgrund. Und ich will nicht derjenige sein, der mit ansehen muss, wie sie schließlich abstürzt.«
» Es wird Zeit brauchen, bis sie über das hinwegkommt, was sie
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