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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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richtigen Freunde.« Er lachte leise. » Sie war wohl ganz allein. Ist das nicht traurig, Chief Tolliver?«
    Jeffrey starrte Mark an, ohne zu antworten.
    » Wenn Sie keine Fragen mehr haben«, fing Mark an, » dann möchte ich gern, dass Sie jetzt gehen.«
    » Kennst du Dr. Linton?«, fragte Jeffrey.
    Er hob die Schultern. » Klar.«
    » Ich will, dass du morgen früh um zehn in der Kinderklinik erscheinst, um deine Blutprobe abzugeben.« Jeffrey deutete mit dem Finger auf Mark. » Und wehe, ich muss dich holen kommen!«
    Mark stand auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. » Yeah, schon gut.« Er sah hinunter auf Lena, die noch immer auf dem Boden hockte. Ihr Gesicht war auf Höhe seines Schritts, und er feixte, als er das merkte.
    Er zog eine Augenbraue in die Höhe, und seine Lippen öffneten sich ein winziges Stück zu demselben verschlagenen Lächeln, mit dem er sie schon einmal angesehen hatte. Dann verließ er den Raum.

Montag

Acht
    G egen sechs Uhr morgens fiel Jeffrey aus dem Bett. Er setzte sich auf, hielt sich stöhnend den Kopf und wusste nicht so recht, wo er eigentlich war. Für die Fahrt nach Sylacauga hatte er gestern Nacht sechs lange Stunden gebraucht, und danach hatte er sich, ohne sich auszuziehen, auf das breite Bett fallen lassen. Sein Oberhemd war völlig zerknittert, seine Hosen hatten Falten.
    Gähnend sah Jeffrey sich in seinem Jugendzimmer um. Seine Mutter hatte nicht das Geringste verändert, seit er vor über zwanzig Jahren nach Auburn gegangen war. Das Poster von dem kirschroten 1967er Mustang-Cabrio mit weißem Top hing an der Innenseite der Tür. Sechs Paar abgetragener Turnschuhe standen im Wandschrank am Boden. Sein Footballtrikot von der Sylacauga High war an der Wand über dem Bett befestigt. Ein Karton voller Musikkassetten stand unter dem einzigen Fenster des Zimmers.
    Er hob die Matratze an, und da war er, der Stapel Playboy -Hefte, die er mit vierzehn zu sammeln begonnen hatte. Ein heiß geliebtes Exemplar Penthouse, das er im Laden unten an der Straße hatte mitgehen lassen, lag noch immer ganz oben. Jeffrey hockte sich hin und blätterte in dem Heft. Es hatte eine Zeit in seinem Leben gegeben, da kannte er jede Seite dieses Penthouse auswendig, von den Cartoons und den Artikeln bis zu den hübschen Ladys in den aufreizenden Posen, die monatelang die Objekte seiner sexuellen Fantasien gewesen waren.
    » Mein Gott«, seufzte er, als ihm der Gedanke kam, dass manche dieser Frauen womöglich inzwischen Großmütter waren. Himmel, manche waren wahrscheinlich sogar auf Sozialhilfe angewiesen.
    Jeffrey bemühte sich, die Matratze so zurechtzurücken, dass die Magazine sich nicht auf der anderen Seite wieder hervorschoben. Er fragte sich, ob seine Mutter wohl jemals das Versteck entdeckt hatte. Fragte sich auch, was sie wohl davon gehalten hatte. Wie er May Tolliver kannte, hatte sie die Zeitschriften einfach nicht beachtet oder die Tatsache verdrängt, dass ihr Sohn unter seiner Matratze genügend anstößige Bilder verwahrte, um damit das gesamte Haus zu tapezieren. Wie die meisten Mütter verstand sich auch seine Mutter bestens darauf, nur das zu sehen, was sie sehen wollte.
    Jeffrey musste an Dottie Weaver denken und daran, dass sie bei ihrer Tochter alle Anzeichen übersehen hatte. Er presste eine Hand auf den Magen, als er an Jenny auf dem Parkplatz von Skatie’s dachte. Wie eine Momentaufnahme, die sich in seine Lider geätzt hatte, stand das Bild vor ihm, wie das kleine Mädchen dort stand und die Waffe auf Mark Patterson richtete. Marks Konturen waren jetzt deutlicher geworden, und Jeffrey konnte sich Einzelheiten ins Gedächtnis rufen: die Art, wie der Junge mit gespreizten Armen dastand, die leicht eingeknickten Knie, als er Jenny fixierte. Die ganze Zeit über hatte Mark eigentlich nie Jeffrey angeschaut. Sogar nachdem sie von Jeffrey erschossen worden war, hatte Mark nur zu Boden gestarrt, dorthin, wo sie lag.
    Jeffrey rieb sich die Augen, um das Bild zu vertreiben. Er ließ den Blick wieder zum Mustang schweifen, um sich an ihm zu weiden, wie er es an jedem Morgen seines Teenagerlebens getan hatte. In seiner Jugend verkörperte dieses Auto so vieles für ihn, nicht zuletzt Freiheit. Manchmal hatte er mit geschlossenen Augen im Bett gesessen und sich vorgestellt, einfach in den Wagen zu steigen und dann quer durchs Land zu fahren. Jeffrey hatte sich so sehr gewünscht wegzukommen, Sylacauga und das Haus seiner Mutter hinter sich zu lassen, etwas anderes zu sein

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