Vergiss mein nicht
sie nicht krank gewirkt«, sagte er. » Wie gesagt, die beiden blieben unter sich. Schienen auch die anderen Kids nicht zu mögen. Ganz ehrlich, ich weiß gar nicht, warum sie überhaupt mitgekommen sind. Irgendwie passten sie nicht zu der Gruppe.«
» Und das soll heißen?«
Achselzuckend erwiderte er: » Waren nicht beliebt, mein ich. Lacey hätte es sein können. Sie ist richtig niedlich, eben ein Cheerleader.« Er schüttelte den Kopf, als versuche er, es zu verstehen. » Jenny war aber absolut nicht beliebt. Ich habe zwar niemanden dabei erwischt, dass er sie gepiesackt hat– da hätte ich auch sofort eingegriffen–, aber übermäßig nett waren sie auch nicht zu ihr.«
» War es nicht Ihre Aufgabe, sie zu betreuen?«
Er ging sofort in die Defensive. » Ich habe sie im Auge behalten, so gut es ging, aber ich war ja allein, und die Jungs haben viel mehr Ärger gemacht als die Mädchen.«
Lena biss sich auf die Zunge und fragte sich, wie so ein beschränkter Kerl wie Brad in den Polizeidienst geraten war.
» Da wären wir«, sagte er und blieb vor der Bibliothek stehen. Er hielt Lena die Tür auf, wie seine Mama es ihm von klein auf beigebracht hatte. Nach der Arbeit mit Frank und dann mit Jeffrey fiel es Lena schon gar nicht mehr auf, wenn ihr ein Mann die Tür aufhielt.
Die Bibliothek hatte eine schlichte, aber doch freundliche Atmosphäre. An den Wänden standen Schülerprojekte angeschlagen, und die unzähligen Regale waren randvoll mit Büchern. Ungefähr zwanzig Computer– eine Bildungsinitiative, die durch Georgias Lotterie finanziert worden war– ruhten unbenutzt mit dunklen Monitoren, weil die elektrischen Leitungen der Schule die zusätzliche Belastung nicht ausgehalten hätten. An der hinteren Wand erstreckte sich eine Balustrade mit offenem Geländer, und Lena überfiel der Gedanke, dass irgendeiner von den Schülern vielleicht schon mal dort oben gesessen und sich vorgestellt hatte, das Feuer auf seine Schulkameraden zu eröffnen.
Brad sah sie erwartungsvoll an. » Das sind sie«, sagte er und deutete auf drei Jungen und drei Mädchen, die beim Pult der Bibliothekarin saßen. Lena begriff sofort, wovon Brad gesprochen hatte. Das hier waren die beliebten Kids. Man erkannte das allein schon an der Art, wie sie dort saßen, miteinander redeten und lachten. Sie sahen allesamt gut aus und waren nach der neuesten Mode gekleidet. Zudem gaben sie sich betont lässig, wie es nur Kids tun, die es gewohnt sind, von Gleichaltrigen hofiert zu werden.
» Bringen wir es hinter uns«, forderte Lena Brad auf und steuerte zielstrebig auf den Tisch zu. Sie stand ein paar Sekunden da, aber niemand nahm von ihrer Anwesenheit Notiz. Lena sah Brad fragend an und räusperte sich. Als das auch noch nicht wirkte, klopfte sie auf den Tisch. In der Gruppe wurde es stiller, aber zwei der Mädchen beendeten erst ihre Unterhaltung, bevor sie aufblickten.
Lena sagte: » Ich bin Detective Adams, und das hier ist Officer Stephens.«
Zwei der Mädchen giggelten, als hätten sie das tollste Geheimnis. Lena wusste, warum sie keine Kids mochte und am allerwenigsten Mädchen dieses Alters. Es gab nichts Gemeineres als einen weiblichen Teenager. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass Jungen eher in der Lage waren, Meinungsverschiedenheiten mit den Fäusten auszutragen. Die Mädchen waren jedenfalls hinterhältiger und nachtragender, als man ahnen konnte.
Eins der kichernden Mädchen ließ eine Kaugummiblase platzen, während das andere sagte: » Wir kennen Brad.«
Lena gab sich alle Mühe, nicht feindselig zu wirken, als Brad ihr die Kids vorstellte. » Heather, Brittany und Shanna«, sagte er und deutete jeweils auf eine von ihnen. Dann wies er auf die Jungen, die so in ihren Stühlen hingen, dass sie mit dem Hintern fast den Boden berührten: » Carson, Rory und Cooper.« Lena fragte sich, wann Eltern aufgehört hatten, ihren Kindern normale Namen zu geben. Wahrscheinlich, seit sie es aufgegeben hatten, ihnen vernünftiges Benehmen beizubringen.
» Gut.« Lena setzte sich ihnen gegenüber. » Machen wir das hier kurz, damit ihr alle wieder in den Unterricht gehen könnt.«
» Warum sind wir überhaupt hier?«, fragte Brittany. Ihr Ton war ebenso abweisend wie ihre Körperhaltung.
» Ihr wart auf der Skifreizeit mit Officer Stephens«, sagte Lena zu ihnen. » Jenny Weaver war auch dabei. Wisst ihr, was mit dem Mädchen am Sonnabend passiert ist?«
» Ja«, sagte Shanna, auf ihrem Kaugummi schmatzend. » Abgeknallt habt
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