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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Vielleicht hatte Jenny sich so betrunken, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Vielleicht hatte sie von jemandem in der Schule Schmerztabletten oder Tranquilizer gekauft und in hoher Dosis eingeworfen. In der Highschool gab es eine regelrechte Schwarzmarkt-Apotheke. Jemand mit dem entsprechenden Geldbeutel könnte praktisch einen Operationssaal mit den notwendigen Medikamenten ausstatten.
    Nelly schob die Tür auf und sagte: » Das Patterson-Kid ist da.« Dann fügte sie flüsternd hinzu: » Ohne Mutter.«
    Sara blickte auf ihre Uhr. Mark hatte eigentlich schon gestern Morgen kommen sollen. Sein heutiges Erscheinen brachte ihre gesamte Terminplanung durcheinander. » Bringen Sie ihn in Raum sechs«, beauftragte sie Nelly. » Sagen Sie ihm, dass er warten muss.«
    » Ihm?«, fragte Nelly. » Es ist Lacey, das Mädchen.«
    Sara setzte sich auf. » Hat sie gesagt, warum sie hier ist?«
    » Nur, dass sie sich nicht wohl fühlt«, antwortete Nelly und verfiel wieder in den Flüsterton: » Und das sieht man ihr auch an, wenn Sie mich fragen.«
    Sara flüsterte: » Warum flüstern Sie eigentlich?«
    Nelly gestattete sich beim Hinausgehen ein Schmunzeln. Bevor sie die Tür schloss, sagte sie noch: » Sie verhält sich komisch. Sie ist ohne ihre Mutter da.«
    Sara fühlte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten. » Wie lange wartet sie schon?«
    » Noch nicht lange«, antwortete Nelly. » In Raum sechs also?«
    Sara nickte, und ihr wurde flau im Magen. Sie griff zum Telefon, um Jeffreys Nummer zu wählen, überlegte es sich dann aber anders. Lacey war in die Klinik gekommen, weil sie Sara vertraute, und Sara würde dieses Vertrauen nicht missbrauchen. In erster Linie brauchte das Mädchen Hilfe. Sollte sie irgendein Gesetz gebrochen haben, konnte man sich damit beschäftigen, sobald Sara sich überzeugt hatte, dass mit ihr alles in Ordnung war.
    Untersuchungsraum sechs befand sich im hinteren Teil des Gebäudes, am Ende des L-förmigen Korridors. Normalerweise war er für besonders kranke Kinder reserviert oder diente als Warteraum für Eltern, wenn Sara mit deren Sprösslingen über Sex, Geburtenkontrolle oder sonstige Dinge redete, die sie mit ihrer Ärztin unter vier Augen besprechen wollten. Sara nahm an, dass Molly versucht hatte, erst mal das Vertrauen des Mädchens zu gewinnen. Die Kids tauchten normalerweise nie ohne ihre Eltern in der Klinik auf, nicht einmal diejenigen, die schon Auto fahren durften.
    Molly wartete schon vor der geschlossenen Tür des Untersuchungsraums, als Sara um die Ecke bog. Sie gab ihr Lacey Pattersons Krankenakte und sagte: » Ich bin in der Zwei, wenn Sie mich brauchen.«
    Sara öffnete die Akte, um die Notizen über Laceys letzten Besuch in der Sprechstunde zu überfliegen, obwohl sie das bereits vor ein paar Tagen getan hatte. Das Mädchen hatte damals allem Anschein nach eine Seitenstrang-Angina gehabt. Sara hatte ihr Antibiotika verschrieben, wollte die endgültige Diagnose aber erst stellen, sobald die Laborwerte vorlagen. Sara blätterte in der Akte, aber das rosa Blatt, das gewöhnlich vom Labor kam, war nicht dabei. Sie wollte Molly holen gehen, als sie hinter der Tür ein Geräusch vernahm.
    » Lacey?«, fragte Sara und öffnete die Schiebetür. » Ist alles…« Sie brach mitten im Satz ab. Ein so bleiches Wesen hatte sie das letzte Mal im Leichenschauhaus gesehen. Die Kleine saß zusammengekrümmt auf einem Stuhl neben der Untersuchungsliege, die Arme über dem Bauch verschränkt. Trotz des warmen Wetters trug sie einen neongelben Regenmantel.
    Sara legte ihr die Hand auf den Rücken, erstaunt, wie klamm sich der beschichtete Stoff des Regenmantels anfühlte.
    Zähneklappernd stieß Lacey hervor: » Ich muss mit Ihnen sprechen.«
    » Komm mal her«, sagte Sara und half ihr hoch. » Wir legen dich mal hier auf die Liege.«
    Lacey zögerte, und Sara hob sie auf die Untersuchungsliege.
    » Ich kann nicht…«, fing sie an, zitterte aber zu stark, um weiterzusprechen. Sara berührte Laceys Stirn, denn sie fragte sich, ob das Mädchen vor Angst zitterte oder weil es Fieber hatte. Da es draußen jedoch so heiß war, ließ sich das nicht feststellen.
    » Ziehen wir mal deinen Mantel aus«, schlug Sara vor, aber Lacey wollte ihre Arme nicht aus der krampfhaften Haltung vor dem Bauch lösen.
    » Was ist denn passiert?«, fragte Sara mit bemüht fester Stimme. Im Raum herrschte eine angespannte Atmosphäre, als sei etwas wirklich Schlimmes geschehen.
    Lacey kippte nach vorn, und Sara

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