Vergiss mein nicht
hier Einhalt zu gebieten. Was sie dann sagte, verblüffte alle: » Ich werde es aufziehen.«
Tessa schüttelte den Kopf. » Das könnte ich nicht.«
» Warum nicht?«
Tessa redete mit ihrer Schwester, als sei ihre Begriffsstutzigkeit nur gespielt: » Sara, ich könnte es nicht aushalten, dass du mein Kind aufziehst.«
Bemüht, ihre Empörung unter Kontrolle zu halten, stemmte Sara die Hände in die Hüften. » So was Kindisches hab ich noch nie von dir gehört. Was soll das denn heißen? Wenn du es nicht haben willst, dann soll es auch niemand anders haben?«
Tessa öffnete den Mund, schloss ihn aber dann wieder. Schließlich sagte sie: » Seit wann bist du so selbstgerecht? Ich kann mich an Zeiten erinnern, als du sehr für Abtreibungen warst.«
Sara spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Ihr wurde wieder bewusst, dass ihre Mutter mit im Zimmer war. » Hör auf damit!«
» Oh, du willst also nicht, dass Mum erfährt, wie es damals war, als du dachtest, Steve Mann hätte dich geschwängert?«
Cathy blieb stumm, aber Sara merkte sehr wohl, dass ihre Mutter gekränkt war. Cathy hatte ihren Töchtern immer klarzumachen versucht, dass sie mit allen Problemen zu ihr kommen konnten. Nur dieses eine Mal hatte Sara sich nicht daran gehalten.
Sara wollte es ihrer Mutter erklären. » Es war falscher Alarm. Ich war mitten in den Abschlussprüfungen und war furchtbar im Stress. Da kam meine Periode zu spät.«
Cathy hob die Hand, um Sara zum Schweigen zu bringen.
» Ich war noch ein Teenager«, fuhr Sara trotzdem fort. Mit schwacher Stimme fügte sie hinzu: » Mein ganzes Leben lag doch noch vor mir.«
» Und da hast du gleich als Erstes im Frauenzentrum von Atlanta angerufen und dich erkundigt, wie schnell sie es wegmachen könnten.«
Sara schüttelte den Kopf, weil das nicht stimmte. Als Erstes war sie in Tränen ausgebrochen und hatte den Brief mit ihrer Aufnahmebestätigung für Emory zerrissen. » So war es ganz und gar nicht.«
Tessa war noch nicht fertig, und ihre nächste Bemerkung traf Sara ins Mark. » Für dich ist es ja leicht, weil du weißt, dass du niemals schwanger werden wirst.«
» Tessa«, zischte Cathy, aber es war zu spät.
Sara stand mit offenem Mund da und bekam kein Wort heraus. Sie hatte das Gefühl, geohrfeigt worden zu sein.
Cathy wollte etwas sagen, aber jetzt war Sara an der Reihe, abwehrend die Hand zu heben.
» Das halte ich nicht aus«, sagte sie. Sie erinnerte sich nicht daran, dass Tessa sie jemals so verletzt hatte, und hatte das Gefühl, gerade ihre beste Freundin verloren zu haben.
Ohne ein weiteres Wort verließ Sara Tessas Wohnung. Das Fliegengitter ließ sie hinter sich zuknallen.
Elf
N och bevor er Zeit gefunden hatte, sich die Jacke auszuziehen, reichte Marla Jeffrey einen Stapel rosafarbener Notizzettel. Er war nur vierundzwanzig Stunden fort gewesen, doch die kamen ihm vor wie drei Monate.
» Dieser da ist wichtig«, sagte Marla und deutete auf einen der Zettel. » Und der da auch.« Und so machte sie weiter, bis nur noch ein einziger unwichtiger Zettel übrig war. Auf den warf Jeffrey einen Blick. Den Männernamen, der dort stand, kannte er nicht und ebenso wenig die Telefonnummer, die mit 1-800 begann.
» Was ist das hier?«
Marla legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. » Entweder Plastikverkleidungen oder Kaffee frei Haus, ich weiß nicht genau.« Mit einem entschuldigenden Achselzucken sagte sie: » Er hat aber gesagt, er ruft wieder an.«
Jeffrey zerknüllte die Nachricht und warf sie in den Papierkorb. » Ist Lena da?«
» Ich gehe sie holen«, antwortete Marla und verließ das Büro.
Jeffrey setzte sich an seinen Schreibtisch und las das Infoblatt, mit dem nach der entführten Lacey gesucht wurde. Das Foto zeigte ein dünnes, knabenhaftes Mädchen mit blondem Haar. Es war in der Schule aufgenommen worden, eine amerikanische Flagge im Hintergrund und vorne ein Globus. Größe und Gewicht des Mädchens waren unter dem Foto abgedruckt, zusammen mit Angaben, wo sie zum letzten Mal gesehen wurde, und einer Telefonnummer, unter der die Bevölkerung ihre Beobachtungen melden konnte. Dieser Flyer war an alle Polizeibezirke in der Gegend gefaxt und auch in die nationale Datenbank eingespeist worden, mit deren Hilfe man versuchte, vermisste Kinder aufzuspüren. Das Bureau of Investigation von Georgia würde Zeit brauchen, ein Informationspaket zusammenzustellen, das dann an sämtliche Polizeidienststellen im Südosten weitergeleitet
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