Vergiss mein nicht
werden würde. Wenn dieser Tag wie jeder andere Tag in Amerika verlief, dann wäre Lacey Patterson eines von ungefähr hundert Kindern, die in diesen vierundzwanzig Stunden verschwanden oder entführt wurden.
Jeffrey griff zum Telefon und wählte Nick Sheltons Nummer. Dass Nick selbst abhob, überraschte Jeffrey. Er saß nämlich nur höchst selten an seinem Schreibtisch.
» Nick? Jeffrey Tolliver.«
» Hi, Chief«, sagte Nick, und sein breiter Südstaatenakzent tat Jeffrey fast in den Ohren weh. Wenn man bedachte, dass er die vergangenen vierundzwanzig Stunden in Alabama verbracht hatte, wollte das schon etwas heißen.
Jeffrey fragte: » Na, spielst du heute mal den Schreibtischhengst?«
» Irgendjemand muss sich ja um den ganzen Papierkram kümmern«, sagte Nick. » Was gehört über euer vermisstes Mädchen?«
» Nein«, antwortete Jeffrey. » Ist denn irgendwas bei der Großfahndung im ganzen Staat herausgekommen?«
» Nicht die Bohne«, sagte Nick. » Es würde natürlich helfen, wenn du das Kennzeichen des Wagens hättest.«
» Er war zu weit weg. Deswegen konnte niemand was erkennen.«
Nick seufzte. » Ich hab jedenfalls alles an die Computer-Abteilung weitergegeben. Aber wer weiß, wie lange es dauert, bis sie jemanden da dransetzen? Höchste Priorität bekommt euer Fall erst, wenn etwas passiert.«
» Ich weiß«, sagte Jeffrey. Er brauchte eine neue Entwicklung in diesem Fall, irgendeinen Hinweis, dem man folgen konnte, oder einen neuen Ansatz, um massive Unterstützung zu bekommen. Im Moment blieb ihnen nur Däumchendrehen.
Jeffrey fragte: » Gibt es denn keine Möglichkeit, etwas Dampf zu machen? Mein Gott, Nick. Sara und Lena waren Augenzeugen, dass die Kleine entführt wurde.«
» Hast du eine Ahnung, wie viele Kinder in den vergangenen vierundzwanzig Stunden verschwunden sind?«
» Trotzdem…«
» Hör mal zu.« Nick senkte die Stimme. » Ich hab mit einem von der alten Garde geredet, der früher mal auf die Bekämpfung von Verbrechen an Kindern spezialisiert war. Er wird ein paar Telefongespräche führen und sich darum kümmern, dass man euren Fall als dringlich einstuft.«
» Danke, Nick.«
» Bis dahin könnte es nicht schaden, wenn einige von deinen Jungs mal wegen der Faxe nachhaken, die ihr rausgeschickt habt.«
Nick hatte Recht. Es wurde heutzutage so viel Müll über die Faxgeräte in die Büros geschwemmt, dass es Stunden dauerte, bis sich jemand da durchgearbeitet hatte.
Nick fragte: » Besteht denn die Chance, dass es nur ein Samariter war, der sie in Sicherheit bringen wollte?«
» Himmel, Nick«, sagte Jeffrey. » Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
» Keiner von deinen Hauptverdächtigen fährt einen schwarzen Thunderbird?«
» Nein«, sagte Jeffrey. Auch bei Leuten, die nur ganz am Rande mit dem Fall zu tun hatten, waren die Autos überprüft worden, und schließlich hatte man die Suche sogar auf ganz Grant ausgedehnt. Aber auf niemanden im gesamten County war ein alter Ford Thunderbird zugelassen.
» Und kann ich vielleicht sonst was für dich tun?«, fragte Nick.
» Reinheit«, sagte Jeffrey. » Sag mir bitte, was dieses Wort im Zusammenhang mit Pädophilie bedeutet.«
» Keinen Schimmer«, sagte Nick. » Aber ich kann’s durch die Computer schicken und dich dann informieren.«
» Ich wär dir sehr dankbar.«
» Deine Lady hat am Telefon vor kurzem auch über Reinheit gesprochen«, erwähnte Nick. » Die Genitalverstümmelung, stimmt’s?«
» Stimmt.«
» Also, ich kann dir so viel sagen, dass diese Art Kastration meistens religiös motiviert ist. Sie wird vollzogen, um sicherzustellen, dass ein Mädchen Jungfrau bleibt.«
» Wir wissen aber, dass sie keine mehr war.«
» Weiß Gott nicht«, stimmte Nick zu. » Soweit ich gehört hab, war sie eher so ’ne Art Wanderpokal.«
Jeffrey ging nicht darauf ein, denn Nicks frivole Bezeichnung für das Mädchen war sogar ihm ein wenig zu hart. Die meisten Gesetzeshüter hatten die Eigenart, mit derlei Dingen äußerst abgebrüht umzugehen, und Jeffrey war da keine Ausnahme. Wäre das Mädchen nicht furchtbarerweise von ihm selbst erschossen worden, hätte er vielleicht sogar gelacht. Aber so sagte er nur: » Ich habe einen Namen für dich, den du mal checken solltest.«
» Leg los!«
» Arthur Prynne«, sagte Jeffrey und buchstabierte dann den Namen des Mannes, den er hinter Possums Laden beinahe zu Brei geschlagen hätte.
Beim Mitschreiben grummelte Nick vor sich hin. » Was soll das sein, Polnisch
Weitere Kostenlose Bücher