vergissdeinnicht
sich mit mir zusammen aufregen wollen, nicht alleine irgendwohin verschwinden. So hatte das nicht laufen sollen.
Sal hatte Tränen in den Augen, und ihre Stimme zitterte, als sie sagte: »Es ist … nichts. Ich muss nach Hause.« Dann rannte sie aus dem Café, bevor ich kapierte, was geschah. Ließ mich zurück mit der Rechnung. Nett.
Ich bezahlte und rannte nach draußen, um sie einzuholen. Ich ging davon aus, sie würde an der nächsten Ecke stehen, um sich dafür zu entschuldigen, so eine Dramaqueen zu sein. Aber sie war nirgends, also rief ich sie an. Ich landete direkt auf der Mailbox. Komisch. Sal schaltete nie ihr Telefon aus. Nie im Leben. Wir hatten einen Deal.
* * *
Die Kratzer auf meinem Arm verschwinden.
Ein kaputter Kugelschreiber funktioniert besser als ein Fingernagel.
Blut auf meinem Pyjama.
Rot. Weiß.
* * *
Wieder ein Besuch von Ethan. Der echte, nicht der aus dem Traum – denke ich. Er sah sofort das Blut, wahrscheinlich, weil ich nicht versucht habe, es zu verstecken. »Gib mir deine Hand«, sagte er so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er es überhaupt laut gesagt hatte. Sanft wand er mir den kaputten Kugelschreiber aus der Hand und steckte ihn sich in die Hosentasche. »Ich hol dir saubere Kleidung.«
Ein paar Minuten später war er zurück mit einem Pyjama, der genauso aussah wie der, den ich gerade trug. »Brauchst du Hilfe?« Er deutete mit dem Kinn auf meine blutigen Arme. Ich schüttelte den Kopf, der sich ganz schwammig und langsam anfühlte.
»Du musst sie richtig sauber machen. Unter dem Waschbecken ist ein Antiseptikum.« Ich nickte, nahm die Kleidung vom Bett und ging ins Bad. Es fühlte sich an, als bewegte ich mich unter Wasser.
Als ich zehn Minuten später rauskam, saß Ethan auf meinem Bett und hielt den blutigen Kugelschreiber in der Hand. Es schien ihn nicht zu stören, dass er mein Blut überall auf seinen Fingern hatte. »Soll ich dir die Stifte abnehmen?« Sein Ton war neutral.
»Nein, bitte, nicht. Ich … ich muss schreiben. Das ist alles, was ich tun kann.«
»Du musst damit aufhören, Grace. Das weißt du doch, oder?«
Jetzt bekam ich Panik. Wenn ich nicht schreiben konnte, würde ich bestimmt wahnsinnig. »Bitte, Ethan. Ich werde es nicht mehr tun, ich versprech’s.« Er sah auf, und es kam mir vor, als könnte er wirklich in mich hineinsehen. Ich hielt seinem Blick stand, solange ich konnte, dann sah ich weg. Er wusste, dass ich log. Ich konnte das nicht versprechen.
Ich hatte es vorher schon versucht und war gescheitert.
Ethan stand auf, ging zur Tür und ließ mich weiter in die Luft starren. Während er die Tür öffnete, sagte er: »Manchmal können wir nur schwer verstehen, warum manche tun, was sie tun, oder?« Ich wartete darauf, das gewohnte Klirren der Riegel zu hören. Als ich es hörte, flüsterte ich dem leeren Raum zu: »Wem sagst du das.«
Ich setzte mich auf das Bett und schob die Ärmel hoch. Dann sah ich mir meine Arme an, die mit Narben kreuz und quer übersät waren, mit alten und neuen, und zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass es doch etwas sehr Seltsames war, was ich mir da antat.
Tag 14
Jetzt sind es genau zwei Wochen. Vierzehn Tage hier, und nichts hat sich verändert. Obwohl das nicht ganz wahr ist. Heute habe ich das Bad sauber gemacht. Das war schon eine Überraschung. Irgendwie sah es nicht mehr ganz so weiß aus. Und aus irgendeinem Grund nervte mich das. Falls ein Wunder geschieht und ein Prinz vorbeigeritten kommt, um mich zu retten (und ich kann mir nicht wirklich irgendwelche Freiwilligen vorstellen, die sich um diesen Job prügeln), will ich nicht, dass er denkt, ich sei voll das Schwein.
Manchmal ertappe ich mich beim Lügen. Die Wahrheit ist, ich will nicht, dass Ethan denkt, ich sei voll das Schwein. So. Das ist besser. Ich weiß nicht, warum es mir wichtig ist, aber so ist es. Mum wäre stolz auf mich. Nur zwei Wochen in Gefangenschaft waren nötig, um mich endlich dazu zu bringen, Hausarbeiten zu erledigen.
Unter dem Waschbecken ist Bleiche.
Ich frage mich, wie es wäre, sie zu trinken.
Ethan hat mir Mittagessen gebracht, als ich auf Putzmission war. Er steckte seinen Kopf ins Badezimmer und grinste mich an. Ich konnte nicht anders und grinste zurück. Keiner von uns sagte ein Wort. Das Mittagessen bestand aus Salat. Ich aß ihn in nicht mal zehn Minuten auf. Die Schrubberei muss mich hungrig gemacht haben. Heute Nachmittag habe ich nicht geschrieben. Ich habe trainiert. Sit-ups, ein bisschen
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