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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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nach mir an. Die Bewegung tat mir gut – mal etwas anderes zu tun, als sich nur zu erinnern. Ich probierte sogar ein paar Liegestützen, bevor ich einsehen musste, dass das vielleicht ein klein wenig übertrieben war, nachdem ich michzwei Wochen lang so gut wie gar nicht bewegt hatte. Ich werde versuchen müssen, jeden Tag ein bisschen mehr zu tun, wenn ich gesund bleiben will.
    Ethan kam später am Nachmittag wieder. Ich lag mit wild klopfendem Herzen auf dem Boden. Ich war zehn Minuten auf der Stelle gerannt, wovon mir normalerweise nicht mal Schweiß ausbrechen würde. Ich war erschöpft. Ich hörte, wie sich die Tür hinter mir öffnete. Ethan beugte sich über mich, sein Gesicht stand Kopf.
    »Hi«, krächzte ich.
    »Hallo«, sagte er. »Wie geht es dir?«
    »Verdammt müde«, antwortete ich. Ich hörte mehr, als dass ich sah, dass er zum Bett ging, um sich auf die Kante zu setzen. Ich blieb, wo ich war: auf dem Boden, ein Arm auf die Stirn gelegt. Das war meine Chance. »Ist Ethan dein richtiger Name?«
    »Glaubst du, ich würde dich anlügen, Grace?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht. Es ist einer meiner Lieblingsnamen, weißt du.«
    »Wirklich? Das freut mich.« Er lächelte.
    »Hast du einen Nachnamen?«
    »Hat den nicht jeder?«
    »Du kannst ganz schön verwirrend sein, echt.«
    »Ist das nicht jeder?«
    Ich lachte darüber. »Okay, was machst du eigentlich den ganzen Tag? Du wirst ja wohl kaum die ganze Zeit nur kochen und waschen. Wie langweilig ist das denn? Kochst du mein Essen?« Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, etwas aus ihm rauszubekommen.
    Er zögerte. »Das ist nicht wichtig.«
    Ich seufzte. Das lief nun nicht gerade nach Plan. »Du siehst müde aus.« Das tat er. Er hatte dunkle Ringe um die Augen, und seine Haut war fahl.
    »Mach dir um mich keine Gedanken, Grace. Wie läuft es?« Er zeigte auf den Tisch.
    Ich stemmte mich auf einen Ellenbogen. Mir war bewusst, dass er so mehr als nur einen guten Blick auf meine Brüste erhaschen konnte. »Ich weiß nicht. Es ist hart. Es tut weh … über manches nachzudenken.«
    Ethan starrte mich ein paar Sekunden lang an. »Schmerz ist vielleicht nicht immer nur schlecht.« Er stand auf und streckte sich, dann unterdrückte er ein Gähnen. »Ich lass dich mal in Ruhe. Es ist schon spät.« Er schloss die Tür hinter sich, und ich fragte mich, was genau er damit meinte.
    Es ist noch nicht spät.
    Oder doch?
    * * *
    Nach meinem Streit mit Sal rannte ich den ganzen Weg nach Hause. Fünf Kilometer zogen wie im Traum an mir vorbei. Als ich die Haustür erreichte, waren meine Tränen getrocknet. In dieser Nacht schlief ich kaum. Stattdessen ging ich unser Gespräch wieder und wieder durch – und versuchte, das Ganze zu verstehen. Es war hoffnungslos.
    Am nächsten Tag war alles noch schlimmer. Ich wusste, was Sal gerade durchmachte, ganz alleine. Alle paar Minuten sah ich auf meine Handyuhr. Eine Stunde vor Sals Termin hielt ich es nicht mehr aus und rief sie an. Ich landete sofort auf der Mailbox. »Sal, ich bin’s. Ich … ich weiß echt nicht, was ich sagen soll. Ich hoffe, es läuft heute alles glatt. Gestern Abend war … ich glaube, wir sollten darüber reden. Ruf mich an.«
    Ich hörte nichts von Sal. An diesem Tag, oder am nächsten. Ich wusste, dass sie die Abtreibung durchgezogen hatte. Gar keine Frage. Ich fühlte mich grässlich, weil sie das alles alleine hatte durchstehen müssen, aber ich war so sauer wegen dem, was sie gesagt hatte.
    Ich kam nicht darüber hinweg, dass Sal offensichtlich eine ganze Zeit lang mit diesen Gefühlen mir gegenüber herumgelaufen war. Was ich zu ihr gesagt hatte, war zweifellos dummgewesen. Aber mich dafür verantwortlich zu machen, dass sie schwanger geworden war? Das ging einen Schritt zu weit. Sal war die vernünftigste, intelligenteste, geerdetste Person, die ich kannte. Es ergab überhaupt keinen Sinn. Und doch bewahrte es mich nicht davor, mich wegen dem, was ich gesagt hatte, wie der allergrößte Abschaum zu fühlen – im Park und an dem Abend im Club. Idiotisch bis zum Abwinken, aber Sal kannte mich. Ich dachte , sie wüsste, wann man mich ernst nehmen durfte und wann man mich besser ignorierte. Alles war doch zwischen uns bis zu dem Besuch beim Arzt okay gewesen, oder?
    Die Tage zogen vorüber – in einem Nebel aus wütenden Tränen und Verwirrung. Ich ritzte mich. Trotz allem, was Sal gesagt hatte.
    Ein Schnitt in den Arm ging etwas zu tief. Das Blut quoll so schnell heraus, dass ich dachte, es würde nie

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