vergissdeinnicht
Teilzeit in einem beschissenen Pub in der Stadt.
Er hatte letzten Sommer drei Monate in Nepal verbracht, um für eine Wohltätigkeitsorganisation zu arbeiten.
Er war zum Anbeißen.
Er gab außerdem zu – wenn auch widerstrebend -, dass er immer noch nicht seine Fahrprüfung bestanden hatte. Deshalb musste er immer den Bus nehmen. Er schämte sich dafür. Er war wirklich süß, wenn er sich schämte. Mit seinen Wimpern sah er total schüchtern und süß aus.
Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit hatte ich Spaß. Es fühlte sich so normal an – mit einem Jungen reden, herausfinden, ob er mich mochte oder nicht. Nicht-wirklich-unbewusst seine Körpersprache übernehmen (in einem vollbesetzten Bus schwieriger, als es sich anhört). Um ganz ehrlich zu sein, war ich so verdammt einsam, dass ich glaube, ich hätte mich an dem Abend mit jedem unterhalten. Aber zum Glück war es Nat. Sinnlicher, kein Wässerchen trübender, Zu-schön-um-wahr-zu-sein-Nat.
Meine Haltestelle kam sehr viel schneller, als mir lieb war. Ich spielte mit dem Gedanken, länger bei Nat sitzenzubleiben, aber ich war todmüde. Außerdem ist es in solchen Situation immer besser, so zu tun, als sei man nicht leicht zu kriegen. Natürlich vorausgesetzt, der Junge wollte einen auch.
»Hör mal, ich muss gleich raus. Danke, dass du mich gerettet hast. Ich würde dir das Geld gerne irgendwie wiedergeben.« Ich ließ das für einen Moment in der Luft hängen, bevor ich weiterdrängte: »Ich könnte dir vielleicht einen ausgeben, um mich zu bedanken?« Bittebittebittebittebitte sag ja.
Nat sah mich für ein paar Sekunden an. Ich glaube, er war ziemlich verblüfft, der Ärmste. Und gerade als ich mir sicher war, er würde sagen: »Danke, aber nein danke«, sagte er stattdessen:»Das wäre schön.« Es schien ihm nicht ganz leichtzufallen, das zu sagen, aber damit wollte ich mich jetzt nicht aufhalten. Ich gab ihm meine Nummer, weil ich mein Handy nicht dabeihatte (oh Mann!). Er versprach, mich anzurufen, und ich glaubte ihm. Ich hüpfte fast schon den Gang runter. Als ich an der Treppe angelangt war, drehte ich mich rasch nach ihm um, aber er sah aus dem Fenster. Oh. Zwei können das Schwer-zu-kriegen-Spiel spielen, nehme ich an.
In dieser Nacht schlief ich so gut wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Natürlich hatte ich Sal nicht vergessen – nicht mal ein bisschen. Aber wenigstens hatte ich jetzt noch etwas anderes, worüber ich nachdenken konnte. Immer, wenn Sal in meinem Kopf auftauchte, lenkte ich mein Gehirn um in Richtung Nat. Irgendwie funktionierte es.
Tag 16
Das Training tut mir definitiv gut. Heute hab ich mich richtig reingehängt. Ich bin auf der Stelle gerannt und hab geschwitzt wie ein Schwein, als Ethan reingekommen ist. Ich stand da, die Hände auf den Hüften, atmete schwer, wartete darauf, dass er zuerst etwas sagte. »Hör nicht auf«, sagte er. Also setzte ich mich auf den Boden und machte Sit-ups, beobachtete dabei Ethan, der sich an den Tisch setzte. Er gab sich gar nicht erst die Mühe, nach dem Stapel Papier zu sehen, der dort lag. Er ließ mich nicht aus den Augen. Ich zählte dreißig Sit-ups, während wir uns gegenseitig die ganze Zeit anstarrten. Das war definitiv nicht normal.
Gerade, als ich dachte, ich halte das ganze Gestarre nicht mehr aus, fiel Ethan der Kopf auf die Brust. Er musste eingeschlafen sein. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich es richtig kapierte. Ethan war eingeschlafen . Nichts konnte mich mehr davon abhalten, durch diese Tür zu gehen. Mein Herz schlug ganz wild. Aber vielleicht tat er nur so – testete mich, um zu sehen, was ich tun würde.
Ich saß auf dem Boden und hörte angestrengt auf seinen Atem über meinem. Ein Schnarchen wäre hilfreich. Vielleicht ein klein wenig Gesabber, nur um ganz sicher zu sein. Ich rutschte zu ihm rüber, um sein Gesicht besser sehen zu können. Sein Haar war ihm vor die Augen gefallen, aber ich konnte sehen, dass sie geschlossen waren. Das war meine Chance. Ich konnte wegrennen. Oder vielmehr wegkriechen. Alles könnte in ein paar Minuten vorbei sein, sofern das Gebäude keine absonderliche Festung war.
Was also hielt mich noch auf? Ich wünschte, ich hätte es gewusst. Statt mich aus dem Staub zu machen, kniete ich mich wieder auf den Boden. Ich weiß nicht, was mich da geritten hat,aber ich legte meinen Kopf auf Ethans Oberschenkel. Ich hatte eindeutig den Verstand verloren, aber es fühlte sich … richtig an. Ethan stöhnte leise und bewegte sein Bein. Ich
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