vergissdeinnicht
diesmal sah der verzweifelte Junge wirklich verzweifelt aus … na, zumindest ein bisschen verstimmt. Sal stellte die Drinks zurück auf die Theke, packte ihn am T-Shirt und zog ihn fast schon mit Gewalt zu sich. Und dann fing sie an, mit ihm zu knutschen, als hinge ihr Leben davon ab. Sie gab richtig Gas – es war ein ziemlicher Anblick. Der Kumpel des verzweifelten Jungen warf mir einen hoffnungsvollen Blick zu, aber ich schüttelte nur den Kopf und sah weg.
Es war so offensichtlich, dass sie die ganze Show nur für mich abzog . Was wollte sie damit erreichen? Mir zeigen, dass sie so ist wie ich? Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Sie könnte mit jedem Kerl in der Bar rummachen (und mit jedem Mädchen … warum nicht?), und ich würde ihr immer noch nicht glauben. Was zumTeufel war mit ihr geschehen? Ich war entschlossener als je zuvor, der Sache endlich auf den Grund zu gehen.
Sal kam zurück und setzte sich. Sie sah aus wie eine Katze, die die Maus gefangen hatte. Nur, dass die Katze die Maus eigentlich gar nicht gewollt hat. Die Katze hat nur versucht, etwas zu beweisen. Auf schmerzhaft offensichtliche Art.
»Tolle Show, das.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Sal leichthin mit gespielter Unschuld. Das machte mich echt wütend, aber ich hielt den Mund. Schließlich hatte sie nur genau das getan, was ich ihr geraten hatte, oder nicht? Also dürfte ich mich nicht beschweren. Trotzdem ließ mich unsere Unterhaltung von gerade eben mit einem fiesen, nagenden Gefühl zurück, das ich einfach beerdigen musste. Zumindest fürs Erste.
»Und, lässt du dir seine Nummer geben?«
»Seine? No chance. Der muss noch an seiner Technik arbeiten.«
Ich prustete in meinen Drink. »Echt? Es sah aber nicht so aus, als hättest du irgendwelche Beschwerden.«
»Na ja, er hat für die Drinks bezahlt, oder? Ich dachte, er hat eine kleine Belohnung verdient.«
»Klar, Sal, du hast ein großes Herz.« Wir kicherten und stießen an, dann kippten wir den Rest runter. Ich kaufte ihr dieses Getue KEINE SEKUNDE ab, aber es tat ja keinem weh, ein bisschen mitzuspielen. Hauptsache, die Wogen waren erst mal geglättet.
Etwas später fiel mir auf, dass sich die Bar deutlich gefüllt hatte. Ich sah auf die Uhr – Nat war spät dran. Als Sal auf der Toilette war, schrieb ich ihm eine SMS : »Süßer, wo steckst du? Hier wird’s voll. Nische hinter der Bar – ganz rechts. x« Ich dachte, ich könnte es dem armen Kerl genauso gut leicht machen. Er hatte ja keine Ahnung, dass er dabei war, mitten in den Beste-Freundin-Test (Versagen auf eigene Gefahr) zu geraten.
Als Sal zurückkam, ging ich aufs Klo. Ich wollte wieder in der Bar sein, wenn Nat ankam. Hmmm. Was sagt man noch mal überdie durchdachtesten Pläne? Ich nahm mir die Zeit, mein Make-up und die Haare usw. zu checken, und dann wurde ich irgendwie in ein Gespräch mit einem besoffenen Mädchen verwickelt, das nicht wusste, ob es seinen Freund verlassen sollte oder nicht.
Als ich endlich von der Toilette kam, seufzte ich erleichtert auf, nur um gleich wieder scharf Luft einzuziehen. Ich sah einen eindeutig Nat-mäßig aussehenden Typen neben unserer Nische stehen. Verdammt. Ich konnte nur seinen Rücken sehen, und er verdeckte mir den Blick auf Sal, was verhinderte, dass ich diese unerwartete Entwicklung von Ferne bespitzeln konnte. Ich schlich mich von hinten an ihn ran und legte meine Arme um seine Brust. Zu sagen, dass er überrascht war, wäre eine glatte Untertreibung. Er wirbelte herum und starrte mich mit riesigen Augen an.
»Grace! Hast du mich erschreckt!« Ich wollte ihn küssen, aber er drehte etwas den Kopf, so dass ich mit den Lippen seine Wange berührte. Huh . Ich schnappte mir seine Hand, rutschte auf meinen Platz in der Nische und zog ihn neben mich. Dann sah ich Sal erwartungsvoll an. »Also … ich nehme an, ihr habt euch schon bekannt gemacht?«
Sal nickte. »Ja, ich denke doch.« Sie lächelte Nat an, und er lächelte betreten zurück.
»Also keine langweiligen Vorstellungsrunden – super!« Ich sah Nat mit einem strengen Blick an. »Wolltest du mir nicht etwas sagen?« Bildete ich mir das nur ein, oder sah er gerade ein winziges bisschen panisch aus? Sein Blick schoss zwischen Sal und mir hin und her, als könnte er die Antwort in unseren Gesichtern lesen.
»Äh … ich glaube nicht.«
»Na komm schon. Ich warte!« Ich dachte, ich helfe ihm besser auf die Sprünge. »Äh … Grund, warum wir alle heute Abend hier sind …? Klingelt’s
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