vergissdeinnicht
lang versucht, meinen Vater ›Atticus‹ zu nennen, bevor …« Ich brach schlagartig ab. Ich war ziemlich sicher, dass ich das vorher noch niemandem erzählt hatte. Nicht, dass es besonders interessant oder schockierend gewesen wäre. Aber immerhin war es persönlich.
»Wirklich? Ich hätte nicht gedacht, dass das dein Ding wäre. Ich meine, natürlich gibt es keinen Grund, warum es das nicht sein sollte. Es ist schließlich ein großartiges Buch. Es ist nur so, dass ich dachte, du wärst eher ein Fan von …«
»Von was? Schmachtfetzen? Rosamunde Pilcher und so?«, zog ich ihn auf.
»Nein, nein, nichts davon. Äh … ich halt wohl jetzt besser den Mund.«
»Das musst du nicht! Willst du mitkommen und dich zu mir setzen?« Ich überraschte mich mal wieder selbst.
Er schien von der Einladung etwas überfordert, und ich spürte, dass er dabei war, nein zu sagen, also packte ich ihn am Arm und zog ihn an meinen Tisch. »Bitteeeee! Mir ist so langweilig. Und es ist doch bestimmt besser, als da hinten ganz alleine herumzuschleichen.«
Devon murmelte etwas, als er sich widerstrebend auf den Stuhl mir gegenüber fallen ließ. Es klang wie: »Ich bin nicht rumgeschlichen.«
Und da saßen wir: Ich und der kleine Bruder meines Freunds. Zusammen. In der Bibliothek und am Quatschen. Also, wir halb-flüsterten natürlich. Das anfängliche, unbeholfen komische Gefühl verschwand schneller, als ich erwartet hatte. Langsam, abersicher kam Devon aus seiner schüchternen Deckung. Er hatte eine Menge zu erzählen, was mich nicht hätte überraschen sollen, es aber tat. Er war mit mir einer Meinung über Jane Austen, und er hasste die beiden Brontës ebenfalls. Unsere Unterhaltung war erst ziemlich auf Bücher beschränkt, aber nach und nach gingen wir zu anderen Themen über.
Es zeigte sich, dass wir in vielem einer Meinung waren. Wir sprachen über Musik und verglichen die schlechtesten Songs auf unseren iPods. Er erzählte mir von einem Song, von dem er dachte, er könnte mir gefallen, und wir hörten ihn uns mit zusammengesteckten Köpfen an, jeder einen Kopfhörer im Ohr. Als ich ihm so nah war, musste ich feststellen, dass er wirklich, wirklich gut roch. Der Song war wunderschön.
Mein Kater war vergessen. Und wenn ich mich nicht täuschte, hatte sich ein flirtender Unterton in meine Stimme gestohlen, ohne dass ich es bemerkt hätte. Er hatte ein niedliches Lächeln – ein bisschen schief. Ich mochte es.
Es klingelte, und ich beschloss, Geschichte ausfallen zu lassen. Devon sah kurz auf seine Armbanduhr und sprach weiter. Ich fragte mich, ob er auch eine Stunde schwänzte. Er hatte wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nie eine geschwänzt.
Wir sprachen den ganzen Nachmittag, und es schien das Normalste auf der Welt zu sein. Es war nach vier, als uns die Bibliothekarin rauswarf. Ich packte meine vernachlässigte Ausgabe von Emma in meine Tasche. »Tja, ich geh dann wohl besser mal. Ich habe Sal gesagt, dass ich sie nach der Schule in der Stadt treffe.« Es war das erste Mal, dass Sal oder Nat erwähnt wurden. Und nur das Nennen ihres Namens schien den Zauber zu zerstören – welcher auch immer das gewesen sein mochte –, unter dem wir standen.
»Richtig, ja, ich geh mal besser nach Hause … muss noch was erledigen, weißt du … aber hat Spaß gemacht – mit dir zu reden, meine ich. Du bist anders …« Jedes Gramm Unbeholfenheit war wieder zurück – und mehr.
Ich nickte, nicht sicher, was ich sagen sollte. »Ja, also, danke für den Nachmittag. Du hast mich vor dem Tod durch Langeweile gerettet.«
»Jederzeit wieder.« Devon lächelte, aber es war ein schmales, dünnes Lächeln. Er sah mir ganz lange in die Augen. Ich konnte nicht wegsehen. Ich wollte nicht wegsehen. Er war derjenige, der den Augenkontakt unterbrach. Er sah nach unten und fummelte an den Riemen seiner Tasche herum. Wenn ich nicht gesehen hätte, dass sich seine Lippen bewegten, hätte ich kaum geglaubt, was ich als Nächstes hörte.
»Was findest du an ihm?«
* * *
Ich weiß nicht, was ich von Ethan halten soll.
Er wird immer schwächer.
Ich gebe langsam die Hoffnung auf.
Hoffnung. Ich bin mir nicht mal sicher, auf was ich noch hoffe.
* * *
Was findest du an ihm? Die Worte waren mit Bitterkeit durchsetzt.
»Was hast du gesagt?« Ich hatte ihn sehr genau gehört, aber ich wusste wirklich nicht, wie ich sonst reagieren sollte.
Devon sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte. »Du hast mich gehört.«
»Ja,
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