Vergissmichnicht
Konstanzer Kollegen gekommen? Das ist doch absolut nicht üblich.« Gruber wollte sich augenscheinlich mit seinem Wissen über die Polizeistrukturen brüsten.
»Das sind polizeiinterne Details, die Sie nichts angehen!«, fauchte Monja Grundel und pustete von schräg unten gegen ihre knallblaue Haarsträhne, die ihr, etwas länger als die übrigen Haare, in die Stirn fiel. »Und jetzt lassen Sie uns bitte endlich hereinkommen.«
»Sicher«, beeilte sich Gruber einzulenken. »Aber es wäre mir wirklich sehr recht, wenn es schnell gehen könnte.« Gruber ging ihnen voraus durch die tipptopp aufgeräumte Diele in das große, ordentliche Wohnzimmer, das mit seinen schwarzen, großen Ledersofas und der atemberaubenden Seesicht sehr beeindruckend wirkte. »Bitte, setzen Sie sich.« Er deutete auf die beiden langen Nussbaumbänke, die parallel zu einem ebensolchen Tisch standen, und nahm gegenüber Platz. »Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte er sachlich und, wie Ole fand, aalglatt.
»Sagt Ihnen der Name Elisabeth Meierle was?« Während Ole das fragte, beobachtete er Wolfgang Grubers Gesicht ganz genau. Doch dessen Miene verriet nichts. Kein Wimpernzucken, keine Regung. Der Mann hat eine perfekte Maske auf, dachte Ole und stellte fest, dass er ihn nicht mochte.
»Meierle, Meierle«, grübelte Gruber. »Irgendwo habe ich diesen Namen schon mal gehört.« Er raschelte geschäftig mit der Zeitung, die vor ihm auf dem Tisch lag, und blätterte darin. »Richtig, hier haben wir es«, sagte er triumphierend und hieb mit dem Finger auf den Artikel, in dem Manfred Meinwald über den Mord von Überlingen berichtete. »Wusste ich es doch. Ich habe eben noch davon gelesen. Tragische Sache, das.« Die Bestürzung in seinem Gesicht wirkte aufgesetzt. »Ich versichere Ihnen, wenn ich Oberbürgermeister von Konstanz bin, dann werde ich dafür sorgen, dass solche Verbrechen nicht mehr vorkommen.«
»Das ist jetzt überhaupt nicht der richtige Zeitpunkt, um Wahlkampf zu machen«, fiel ihm Grundel scharf ins Wort. »Außerdem können Sie derartige Gewaltverbrechen nicht verhindern. Das kann keiner. Leider.«
»Und für Überlingen wären Sie ja dann sowieso nicht zuständig«, konnte Ole sich nicht verkneifen hinzuzufügen. »Wo waren Sie gestern Abend zwischen 21 und 23 Uhr?«
»Wie bitte? Was habe ich denn damit zu tun? Ich kenne die Frau doch gar nicht«, empörte sich Gruber.
»Da sind wir uns eben nicht so sicher«, konterte Ole, legte die Handflächen flach auf den Tisch, beugte sich leicht vor und sah seinem Gegenüber direkt in die Augen. »Es gibt Zeugen, die beobachtet haben, dass Ihr Boot gestern Abend den Hafen verlassen hat. Bei doppelter Sturmwarnung und einer regelrechten Nebelsuppe ist das schon ein wenig merkwürdig, finden Sie nicht? Nicht einmal die Fähren sind gefahren.«
»Das wäre in der Tat merkwürdig, wenn ich tatsächlich auf See gewesen wäre. Aber das war ich nicht«, sagte Gruber verärgert und schlug die Augen nieder. Verdammt, warum konnte er dem Blick des Kommissars nicht standhalten. Der hatte aber auch eine Art, einen anzuschauen! Richtig beunruhigend war das.
»Ach, dann lügt unser Zeuge also«, sagte Monja Grundel spitz und verschränkte die Arme vor ihrem ausladenden Busen.
»Keine Ahnung«, erwiderte Gruber und fuhr sich erregt durch sein schwarzes Haar. »Haben Sie mal die politische Gesinnung Ihres tollen Zeugen geprüft? Das ist sicher ein Unterstützer einer der anderen Parteien, der mir was anhängen will. Oder vielleicht sogar ein Kandidat selbst? Ne, ne, ne, das lasse ich nicht mit mir machen, das können Sie mir glauben.« Er begleitete seine Worte mit einem wilden Kopfschütteln, das so gar nicht zu seiner sonst so aalglatten und unterkühlten Art passen wollte.
Ole ignorierte die Frage. »Noch mal: Wo waren Sie gestern zwischen 21 Uhr und 23 Uhr?«, beharrte er.
»Zu Hause«, sagte Gruber. »Ich habe an der Rede gearbeitet. Wie Sie vielleicht wissen, ist morgen Abend Südkurier-OB-Kandidatenvorstellung im Konzil. Der wohl wichtigste Termin im ganzen Wahlkampf.«
»Ihre Frau kann das sicher bezeugen?«, fragte Monja Grundel und Ole staunte, wie honigsüß die Stimme dieses badischen Drachens klingen konnte.
»Nein, kann sie nicht. Meine Frau ist nicht da«, erklärte Gruber knapp.
»Wie bedauerlich für Sie«, war Oles Antwort. »Wo weilt sie denn, die werte Frau Gattin?«
»Auf irgend so einer Wellnessreise mit ihren Freundinnen«, murrte Gruber genervt. »Einen tollen
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