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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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eigentlich Wolfgang Gruber?«
    Ihr Puls, dachte Alexandra, würde jeden Moment in den Keller kippen. Sie hatte mit einer privaten Frage gerechnet, nicht mit etwas derart Geschäftlichem, schalt sich aber gleich darauf eine naive Ziege. Wegen nichts anderem war sie hier als wegen der Vernehmung. Plötzlich schämte sie sich. Sie flirtete hier ungeniert mit dem ermittelnden Hauptkommissar und lenkte ihn womöglich von der Arbeit ab, während der Mord an der armen alten Frau Meierle noch immer ungeklärt und ungesühnt war. Reiß dich am Riemen, befahl sie sich und sah Ole direkt in die Augen, diesmal aber mit kühlem, geschäftsmäßigem Blick und ohne in dem seinen zu versinken, als sie sagte: »Sicher kenne ich Wolfgang Gruber. Bevor ich vor wenigen Monaten in Überlingen fest angestellt wurde, habe ich als Redakteurin in Vertretung gearbeitet, das heißt, dass ich da einspringen musste, wo gerade ein Kollege fehlte. Ich war schon oft in der Konstanzer Lokalredaktion. Da hatte ich mehrfach mit ihm zu tun. Und ich sage Ihnen – ebenfalls ganz unter uns – meine Meinung. Er ist ein korrupter, geltungssüchtiger Fiesling und wenn die Konstanzer tatsächlich so blöd sind, ihn zu ihrem Oberbürgermeister zu machen, dann wird die Stadt ziemlich den Bach runtergehen. Wenn ich in Konstanz wohnen würde, würde ich auswandern, wenn er Oberbürgermeister werden würde.«
    Ole lächelte, beugte sich wieder vor und ließ die Goldfunken in seinen Augen tanzen. »Tun Sie mir einen Gefallen?«
    »Ja?«, fragte Alexandra.
    »Wenn Sie auswandern – nehmen Sie mich dann mit?«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein«, gab Alexandra zurück und und spürte, wie ihr Herz wieder schneller schlug. »Wohin sollen wir denn auswandern, was schlagen Sie vor?«
    »Eine einsame Insel gemeinsam mit Ihnen könnte ich mir schon vorstellen«, sagte Ole.
    Donnerwetter, der geht aber ran, dachte Alexandra und schlug lächelnd die Beine übereinander.
    Sie sah hinreißend aus, fand Ole. Durch das Fenster in ihrem Rücken fiel ein Sonnenstrahl auf ihr Haar und ließ es regelrecht erflammen. Ebenso wie in jener Nacht, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte und als die Scheinwerfer ihr Haar in funkelndes Licht getaucht hatten. Er schluckte. Er hatte sie eindeutig angemacht und das im Dienst. Das ging zu weit. Viel zu weit. »Auf einer einsamen Insel gibt es nämlich keine lästige Bürokratie«, versuchte er, seine Worte im Nachhinein abzuschwächen. Kam es ihm nur so vor oder blickte sie ein klein wenig enttäuscht drein? Wahrscheinlich war es lediglich Wunschdenken seinerseits, versuchte Ole sich einzureden.
    »Und wegen der Bürokratie sind Sie ja hier. Ich werde Ihnen jetzt Fragen zum Sachverhalt stellen und Ihnen auch bei den Antworten helfen. Sind Sie bereit? Dann würde ich das Diktiergerät jetzt einschalten.«
    »Klar«, sagte Alexandra und zwang sich zu einem Lächeln, das ihm zeigen sollte, dass sie nichts anderes erwartet hatte als eine sachliche Vernehmung. »Ich bin bereit. Legen Sie los.«

Zwölftes Kapitel
    St. Tropez, Frankreich
    »Was soll das heißen, Sie wissen nicht, wo meine Frau ist?«, donnerte Charles Didier und hieb mit seiner großen, schweren Faust auf den wuchtigen, braunen Eichenschreibtisch.
    Jean-Luc, der Chauffeur, verzog schmerzvoll das Gesicht. Nicht, weil er Schelte, sondern weil er um das Wohl der Faust seines Chefs fürchtete, die nach diesem Hieb auf den Tisch schmerzen musste, auch wenn das dunkle, weiche Leder, mit dem die Schreibfläche bezogen war, den Schlag etwas abgefangen hatte. »Wie ich schon sagte, Monsieur«, erklärte er, als er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte. »Ich habe Ihre Frau beim Hafen abgesetzt und gewartet. Als sie nicht kam, habe ich wieder gewartet. Drei Stunden insgesamt, aber vergebens.«
    »Sie wird eine ihrer Freundinnen getroffen und die Zeit verplaudert haben. Das ist der Grund«, suchte Charles nach einer plausiblen Erklärung.
    »Pardon, Monsieur, wenn ich mich einmische«, unterbrach Jeannette, das Hausmädchen, schüchtern, trat einen Schritt vor und nestelte an seinem weißen Spitzenschürzchen, das Charles furchtbar albern fand. Wer dem Mädchen wohl gesagt hatte, dass es sich so kleiden sollte? Jeannette starrte auf den Boden, wagte nicht, ihm in die Augen zu schauen. Und so blickte Charles auf den kunstvoll gezogenen Zackenscheitel in ihrem braunen, langen Haar, das in ihrem Nacken zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengefasst war. »Monsieur, Sie haben

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