Vergissmichnicht
Zeitpunkt hat sie sich da ausgesucht. Mitten im Wahlkampf!«
»Die KTU wird Ihr Boot auf Spuren untersuchen und diese mit den Spuren vom Tatort abgleichen«, erläuterte Ole. »Wenn ich Sie freundlichst um die Schlüssel bitten dürfte?« Er streckte auffordernd die Hand aus.
»Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie es hier zu tun haben?«, explodierte Gruber. »Ich bin Oberbürgermeisterkandidat und laut Umfragen stehen meine Chancen, gewählt zu werden, sehr gut. Wenn ich erst Oberbürgermeister bin, werde ich Sie für Ihr unverschämtes Verhalten zur Rechenschaft ziehen.«
»Ach ja?«, konterte Ole. »Wenn ich Konstanzer wäre, wäre das in der Tat ein Grund mehr, Sie nicht zu wählen. Und nun geben Sie mir bitte die Schlüssel. Außerdem muss ich Sie auffordern, die Stadt in den nächsten Tagen nicht zu verlassen. Aber das werden Sie vermutlich ohnehin nicht tun. Sie haben ja Wahlkampf.«
Gruber schnaubte, sprang auf und polterte in die Diele. Sekunden später war er zurück. »Da haben Sie ihn!«, rief er und knallte den Schlüssel auf den glattpolierten Nussbaumtisch. »Und nun muss ich Sie bitten, mein Haus zu verlassen. Ich habe wirklich keine Zeit für Ihre Albernheiten.«
»Sicher«, blieb Ole gelassen und stand auf. »Bitte entschuldigen Sie, dass wir Ihre wertvolle Zeit so lange in Anspruch genommen haben.« Mit langen Schritten ging er in Richtung Ausgang. Monja Grundel stapfte hinter ihm her und ließ die Haustüre als Zeichen ihrer Missbilligung über Grubers Verhalten laut hinter sich ins Schloss fallen. Zum ersten Mal, so schien es Ole, waren sie sich einig.
Elftes Kapitel
Überlingen
Alexandra war nervös. Seit geschlagenen zwei Stunden stand sie nun schon vor ihrem überdimensional großen Kleiderschrank und suchte vergebens nach einem passenden Outfit. Sie probierte Kleider, Kostüme, Hosenanzüge, Jeans – und als sie sich schließlich für ein schlichtes schwarzes Sommerkleid und schwarze Ballerinas entschied, geschah das eher aus Zeitnot als etwa deshalb, dass sie mit ihrer Wahl wirklich zufrieden gewesen wäre. Wobei, dachte sie nach einem Blick in den Spiegel, eigentlich sehe ich gar nicht so schlecht aus. Das Schwarz des Kleides und seine schlichte Form betonten ihre schlanke Figur und ihre roten Locken, die sie heute offen trug. Und der grüne Modeschmuck, den sie dazu angelegt hatte, hob das Grün ihrer Augen hervor.
Eilig stopfte sie ihren Notizblock und ihr Handy in die Tasche und sauste die Treppen hinunter. Die anderen Fußgänger schienen Zeit zu haben, die Stadt war, wie so oft an heißen Sommertagen, gestopft voll. Alexandra verfluchte sich innerlich, weil sie den Weg an der überfüllten Promenade entlang gewählt hatte. Durch die Stadt wäre es deutlich schneller gegangen. »Verdammt, im Gegensatz zu euch habe ich nicht den ganzen Tag Zeit«, schimpfte sie leise und schlängelte sich zwischen den Menschenmassen hindurch.
Als sie etwas außer Atem vor dem Polizeirevier im Osten der Stadt ankam, war es fünf Minuten nach zwei. Sie meldete sich an der Pforte und es schien ihr Ewigkeiten zu dauern, bis sie zu Ole durchgelassen wurde.
Und dann war sie endlich bei ihm. Er kam ihr schon in der Bürotür entgegen. »Hi«, begrüßte er sie lächelnd. »Setzen Sie sich doch.«
Er deutete auf einen Stuhl an seinem Schreibtisch und nahm ebenfalls Platz. »Haben Sie gut hergefunden?«, fragte er und sein Blick verhakte sich in ihrem. Seine Augen haben goldene Sprenkel, dachte Alexandra fasziniert. Sie konnte ihren Blick nicht von dem seinen losreißen und so starrten sie sich wieder einmal unverwandt in die Augen, als sie langsam sagte: »Ja, sehr gut, ich kenne ja den Weg.« Die Worte strömten automatisch aus ihrem Mund, Alibiworte, die keine Bedeutung hatten, die nur gesprochen wurden, um die Spannung etwas abzumildern, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte. Die dazu taugten, die stillen Worte zu übertönen, die zwischen ihrem und Oles Blick hin- und hertanzten.
»Stimmt«, antwortete Ole und wandte die Augen ab. »Sie haben ja beruflich hin und wieder hier zu tun. Dann sehen wir uns jetzt vielleicht öfter?«
»Das wäre schön«, lächelte Alexandra. Wieder ineinanderverhakte Blicke. Wieder grüne Augen, in denen goldene Sprenkel funkelten.
Ole räusperte sich und lehnte sich zurück. »Darf ich Sie mal was fragen? Sozusagen im Vertrauen?«
Alexandra spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Alles, was Sie wollen«, sagte sie mit rauer Stimme.
»Kennen Sie
Weitere Kostenlose Bücher