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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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der Name sicher«, forderte Monja Grundel kühl.
    Gruber schwieg. Ole musterte ihn aufmerksam, lehnte sich dann zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Etwa nicht?«, fragte er spöttisch.
    Gruber schwieg noch immer und Ole beobachtete interessiert die Schweißtröpfchen, die sich oberhalb seiner Oberlippe bildeten.
    »Ein Oberbürgermeisterkandidat, der Steuergelder hinterzieht«, sagte er mit sanftem Tadel. »Herr Gruber, Herr Gruber. Ihr Image bröckelt und bröckelt.«
    »Ich …«, fuhr Gruber auf.
    Ole hob abwehrend die Hand.
    »Schon gut, das interessiert uns eigentlich gar nicht«, beschwichtigte er. »Beschaffen Sie uns umgehend die Nummer der Putzfrau. Und informieren Sie Ihre Frau, dass sie zurückkehren soll.«
    »Sie lassen mich gehen?«, fragte Gruber mit einer Mischung aus Erstaunen und Erleichterung.
    »Wir haben noch keinen Haftbefehl gegen Sie, Gruber, leider«, klärte Ole ihn auf. »Aber das kann ganz schnell anders werden. Und daran, dass Sie die Stadt nicht verlassen dürfen, hat sich nichts geändert.« Ole stand auf und ging zur Tür. Die Klinke in der Hand drehte er sich noch einmal um und starrte Gruber in die Augen. »Ach, Herr Gruber, da wäre noch was.«
    »Ja?«
    »Wir ermitteln noch in einem weiteren Mordfall. Carlo Bader. Kennen Sie den Mann?«
    Gruber wurde kreidebleich. »Ja, aber das ist doch 32 Jahre her«, stieß er, ohne nachzudenken, hervor.
    »Schau an, schau an, das wissen Sie aber genau«, sagte Ole, ließ die Türklinke los und kehrte langsam an den Vernehmungstisch zurück.
    »Das stand doch damals in allen Zeitungen. Morde geschehen ja zum Glück nicht so oft. An so was erinnert man sich. Außerdem habe ich mich im Zuge meines Wahlkampfes mit dem Thema befasst. Sicherheit in der Region liegt mir sehr am Herzen, wie Sie meinem Wahlprogramm entnehmen können. Klar, Sie haben recht, ich habe mich sehr schnell daran erinnert. Wahrscheinlich hätte ich das nicht so präsent gehabt, wenn ich mich nicht wegen des Wahlkampfes damit beschäftigt hätte.«
    Er redet zu schnell und viel zu viel, dachte Ole. Und er knetet seine Hände. Die Frage hat ihn völlig aus dem Konzept gebracht.
    »Natürlich«, er schenkte Gruber ein süffisantes Lächeln. »Ich weiß ja, wie ernst Sie den Wahlkampf und besonders die Sicherheit in Ihrer Stadt nehmen. Dass Sie alte Akten dafür wälzen, ehrt Sie. Und dass Sie sich sogar an einen Mord in Ihrer Nachbarstadt erinnern, ehrt Sie noch mehr.«
    Er beugte sich vor und starrte Gruber schweigend und eindringlich in die Augen. Dann stieß er sich von der Tischkante ab und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Vierzehntes Kapitel
    Villingen-Schwenningen
    »Schatz, du musst etwas essen, bitte«, flehte Andreas, der mit einem Teller Suppe neben dem großen Ehebett kniete. Dem Bett, auf dem sich Stefanie wie ein Embryo zusammengerollt hatte, seit sie die Tote, ihre Mutter, identifiziert hatte.
    Es waren grauenvolle Momente gewesen. Andreas sah ihn heute noch vor sich, den langen, kahlen, weißen Gang, der zur Pathologie führte. Nackte Neonröhren hingen an der Decke und tauchten das Leid in gespenstisches Licht. Er fühlte ihre Hand, ihre kalte, schweißnasse Hand, in der seinen. Hörte ihren Atem, der schneller ging. Fühlte das unheilvolle Flirren, das über dem Raum lag. Ein solches Flirren hatte Andreas bisher nur einmal erlebt. In einem Moment, der bis dahin der schrecklichste seines Lebens gewesen war: beim Flugzeugabsturz über Überlingen, bei dem mehr als 70 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, ums Leben gekommen waren. Er hatte damals in einem Überlinger Architekturbüro gearbeitet und war als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in jener Unglücksnacht in den Einsatz gerufen worden. Wenn er die Augen schloss, dann nahm er es noch heute wahr, dieses unheimliche Flirren, das sich über das abgestürzte Flugzeug, über die ganze Szenerie gelegt hatte. Er, der eigentlich nicht sonderlich religiös war, hatte damals das Gefühl gehabt, dass die Seelen der vielen Menschen, die gestorben waren, sich mühevoll von der Erde lösten und zurück in den Himmel flogen. In vielen kleinen, flirrenden Elementen. Und nun war dieses Flirren wieder da. Es flog über dem Körper Elisabeth Meierles.
    Er wusste noch genau, wie die Zeit stehen geblieben war, als der Pathologe langsam das dunkelgrüne Tuch vom toten Körper Elisabeth Meierles hob. Er erinnerte sich an das Flehen in Stefanies Blick, mit dem sie das Tuch anstarrte, bevor es Gesicht und

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