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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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so gütig. Und er, der große Kinderfreund, hatte sogar akzeptiert, dass sie keine Kinder mehr haben wollte nach allem, was passiert war. Anfangs hatte er wieder und wieder vorgeschlagen, die Kleine nach Frankreich zu holen, hatte aber letztendlich, von Marlenes heftiger Abwehr erschrocken, aufgegeben. Die Kleine. Die Kleine, die jetzt schon so groß sein musste. Auch von ihr hatte sie sich abgewendet. Nach der Geburt hatte sie das winzige, schreiende Würmchen nicht einmal angesehen. Sie hatte Angst, dass ihr aus dem unschuldigen Gesichtchen seine Augen entgegenblicken würden. Die Augen des Grauens. Denn das kleine Mädchen war nicht Carlos Tochter, kein Kind der Liebe, sondern ein Kind des Schreckens. Mit ihrem geliebten Carlo hatte sie nie geschlafen. Sie hatten sich innig geküsst, sich überall gestreichelt, aber mehr war nicht geschehen. Sie wollten sich Zeit lassen. Zeit, die sie nicht mehr hatten, was sie in jenen unbeschwerten Sommertagen freilich nicht wissen konnten. Golden und verheißungsvoll lag die Zukunft vor ihnen und sie schmiedeten eifrig Pläne auf ihren vielen Spaziergängen. Erst sollte Marlene ihr Abitur ablegen, dann wollten sie gemeinsam reisen, überall dorthin, wo Carlo ein Engagement bekam. Die ganze Welt wollten sie zusammen erobern.
    Doch nicht immer waren ihre Gespräche unbeschwert. Beide waren sie gebunden, Carlo sogar verlobt. Aber sie wussten, dass sie zusammengehörten, dass die Liebe einfach zu groß war, um sie wieder loszulassen. Wenn der Sommer vorbei war, wollte sich Carlo von seiner Verlobten trennen. Marlene wollte den Schlussstrich schon früher ziehen, ihr Freund lebte in Konstanz und sie sahen sich in der Regel mindestens zwei Mal in der Woche. Zwei Mal hatte sie ihn wegen Carlo schon versetzt und sie wusste, dass sie ihm ein drittes Mal nicht würde ausweichen können. Wenn sie daran dachte, dann zog sich ihr Magen unangenehm zusammen. Sie hatte Angst davor, Schluss zu machen, Angst vor ihm, Angst vor seinem Jähzorn, dem sie schon manches Mal hilflos ausgeliefert gewesen war. Doch sie wusste, dass sie den Schritt machen musste. Für Carlo. Für sich. Sie wusste, dass dieser Schritt darüber entschied, wie ihr weiteres Leben verlaufen sollte.
    Dass sie nicht mehr dazu kommen sollte, ihn zu machen, das wusste sie allerdings damals noch nicht.

Vierundzwanzigstes Kapitel
    Konstanz
    »Wie lange arbeitet Jolanda eigentlich schon bei Ihnen?«, fragte Ole, nachdem er wieder einmal auf den dunklen Nussbaumbänken im Gruberschen Haus Platz genommen hatte. Diesmal war er allerdings nicht von einem muffligen Wolfgang Gruber, sondern von seiner aufmerksamen Frau Beate empfangen worden, die ihm sogleich einen Cappuccino angeboten hatte.
    »Seit drei Jahren. Warum fragen Sie das?«, wollte Beate Gruber wissen und setzte sich ihm gegenüber.
    Ole antwortete nicht. »Und wann hat Ihr Mann sich entschieden, als Oberbürgermeister zu kandidieren?«, fragte er stattdessen.
    Beate überlegte. »Eigentlich schon ziemlich früh. Es war ja klar, dass der bisherige OB aus Altersgründen nicht mehr kandidieren würde.«
    Logisch, dachte Ole. Gegen einen Amtsinhaber anzutreten, war riskant, da waren die Gewinnchancen wesentlich kleiner. Und wenn man, so wie Gruber, in der Stadt ›jemand war‹ und noch dazu im Gemeinderat saß, dann konnte man sich eine Niederlage eigentlich nicht erlauben. Zumindest dann nicht, wenn man so eitel und charakterschwach war wie Gruber. Stärkere Persönlichkeiten hätten mit der ›Schande‹ sicherlich eher umgehen können. Wenn aber schon früh klar gewesen war, dass Gruber kandidieren würde, dann konnte es tatsächlich auch sein, dass Häberle Jolanda schon früher gekannt und bei seinem potenziellen Gegner eingeschleust hatte. Ole traute Häberle so etwas eigentlich nicht zu, er war der Kandidat, den er am meisten schätzte, weil er ihn für ehrlich und fair hielt, aber andererseits kannte er ihn nur flüchtig und das auch erst seit Kurzem. Und sein Beruf hatte ihn gelehrt, dass man sich in absolut jedem Menschen täuschen konnte. Und zwar zu hundert Prozent. Und wenn die Kandidatur für Gruber schon länger feststand, dann konnte es gut sein, dass sich auch Häberle schon vor Jahren dafür entschieden hatte.
    »Wissen Sie, seit welchem Zeitpunkt bekannt war, dass Häberle ebenfalls kandidieren würde?«
    Beate Gruber schnaubte verächtlich. »Schon lange war klar, dass dieser … dieser Versager gegen meinen Wolfgang antreten würde.« Sie presste

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