Vergissmichnicht
missbilligend die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme mit einer vorwurfsvollen Geste vor der Brust.
»Frau Gruber, bitte, Sie müssen versuchen, die Emotionen draußen zu lassen. Das ist für die Ermittlungen wichtig.«
»Aber ich denke, Sie haben Jolanda bereits verhaftet. Was müssen Sie denn jetzt noch ermitteln?«, fragte Beate Gruber und ihre Stimme klang mit einem Mal sehr spitz und sehr schrill.
»Sicher«, reagierte Ole ruhig und beobachtete, dass Beate Gruber ständig irgendwelche imaginären Krümel vom Tisch wischte. Er hatte sie von Anfang an als nervöse Frau wahrgenommen, aber diese Nervosität schien ihm nun unnatürlich.
»Sicher haben wir Frau Noack verhaftet und wir zweifeln auch nicht an ihrer Schuld«, sagte er. »Aber uns fehlt noch das Motiv. Wir konnten Frau Noack keinerlei Verbindung zu der Ermordeten nachweisen. Insofern müssen wir tatsächlich davon ausgehen, dass der Mord politisch motiviert war.«
Aber auch dann fügten sich die Mosaiksteinchen nicht wirklich schlüssig ineinander. Warum ausgerechnet Elisabeth Meierle und ausgerechnet an einem Tag, an dem sie Alexandra etwas von einem Mord erzählen wollte, der sich vor über 30 Jahren in Überlingen ereignet hatte?
»Bitte versuchen Sie, sich daran zu erinnern seit welchem Zeitpunkt Sie wussten, dass Häberle auch kandidieren würde. Und versuchen Sie, die Emotionen rauszulassen«, bat er.
Beate Gruber überlegte. »Das ist sicherlich drei Jahre her«, sagte sie.
»Und seit wann ist öffentlich bekannt, dass Ihr Mann kandidieren würde?«
»Mindestens ebenso lange. Wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht.«
Dann war es also durchaus möglich, dass Häberle Jolanda als Spionin in den Gruberschen Haushalt eingeschleust hatte.
»Wie haben Sie Frau Noack damals eigentlich gefunden?«, fragte er.
Beate Gruber blickte ihn verständnislos an. Er hatte das Gefühl, dass sie mit ihren Gedanken gerade ganz woanders gewesen war. »Haben Sie auf eine Zeitungsanzeige reagiert oder hing irgendwo ein Zettel aus, auf dem Jolanda ihre Dienste anbot?«, konkretisierte er seine Frage.
»Nein«, sagte Beate Gruber. »Sie stand eines Tages einfach vor unserer Tür und sagte, sie hätte gehört, dass wir eine Putzfrau suchen.«
»Und Sie haben nicht gefragt, von wem sie das weiß?«
»Nein, das erschien mir nicht wichtig. Und es war irgendwo logisch, dass jemand bei uns klingelte und uns anbot, bei uns zu putzen. Ich habe überall erzählt, dass wir eine gute Putzfrau suchen.«
Ole nickte. »Vielen Dank, Frau Gruber«, sagte er und machte Anstalten, sich zu erheben. »Ach, eine Frage habe ich noch: Wie haben Sie Ihren Mann eigentlich kennengelernt?«
Er hatte die Frage eigentlich nur aus Neugierde gestellt. Die Grubers passten so gar nicht zusammen, wie er fand. Und er konnte sich nicht vorstellen, was der gut aussehende, charmante Gruber, dem die Frauen in Scharen hinterherliefen, mit der farblosen, leicht neurotischen Beate wollte. Na ja, wer wusste schon, was die beiden verband.
Da die Frage in seinen Augen so harmlos gewesen war, kam Beate Grubers Reaktion umso überraschender. Sie war leichenblass geworden. »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte sie und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen hinter ihren Brillengläsern entsetzt an.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Villingen-Schwenningen/Überlingen
Unter Andreas’ liebevoller Fürsorge kehrte Stefanie langsam wieder ins Leben zurück, aber sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Kinder waren nach wie vor bei der Großmutter und wenn Stefanie auch versuchte, ihren Mann bei der Suche nach der Wahrheit zu unterstützen, so tat sie das mehr ihm zuliebe als aus eigenem Interesse. Drei schwere Schocks nacheinander, das war zu viel gewesen. Der schlimmste war ohne Frage der Tod ihrer Mutter. Ja, sie nannte sie immer noch so, auch wenn bewiesen war, dass Elisabeth Meierle nicht Stefanies leibliche Mutter, sondern ihre Großmutter war. Und das war der nächste Schock. Ein Leben lang hatte Elisabeth Meierle sie belogen. Warum nur hatte sie das getan? Stefanie kam damit nicht klar, das war fast schlimmer als die Tatsache, dass sie nicht ihre leibliche Mutter war. Und dann war ihre tatsächliche Mutter auch noch spurlos verschwunden, wie ein sichtlich um Worte verlegener Ole Strobehn ihr beigebracht hatte. Selbst seine bärbeißige Kollegin hatte nichts zu sagen gewusst und nur auf den Boden gestarrt.
Stefanie verstand die Welt nicht mehr und sie sah auch keinen Sinn mehr
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