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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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Gegenstand. Das Zimmer, dachte Charles traurig, war so unpersönlich, wie Marlene selbst sich gab.
    Seufzend verließ er die Räumlichkeiten seiner Frau und ging nach nebenan, in sein eigenes Reich. Hier dominierte herbe, exklusive Männlichkeit. Dunkle Farben, weiches Leder, teure Kunst an den Wänden, die Farbakzente setzte. Wieder wehrte Charles das Angebot der Bediensteten, ihm beim Packen zu helfen, ab. Lediglich seinen großen, dunkelbraunen Lederkoffer ließ er sich bringen. Wahllos warf er ein paar Anzüge und Hemden aus seinem begehbaren Kleiderschrank hinein. Sie wären bei seiner Ankunft verknittert, aber das war ihm egal. Alles war ihm egal, wenn er nur seine Marlene wiederfände. Socken, Unterwäsche, Kosmetika, das war alles. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief seine persönliche Assistentin an.
    »Veronique? Rufen Sie bitte beim Flughafen an und erkundigen Sie sich, wie ich am schnellsten an den Bodensee komme … Wie? Nein, nein, noch nicht buchen. Ich muss erst wissen, wie lange es dauert. Zur Not fahre ich mit dem Auto. Und sagen Sie bitte auch für die kommende Woche alle Termine ab, ich weiß nicht, wie lange ich unterwegs sein werde.«
    Während er auf den Rückruf seiner Assistentin wartete, bat er alle seine Angestellten zu sich. Mit gesenkten Köpfen und bedrückten Mienen standen sie vor ihm und lauschten seinen Anweisungen, das Telefon nie außer Hörweite zu lassen und ihn sofort zu informieren, wenn man etwas von Marlene hören würde. Er erklärte ihnen, dass er nach Deutschland fahre, um sie zu suchen, weil sie ja aus Deutschland komme. Die Bediensteten schienen das nicht weiter verwunderlich zu finden.
    Als er geendet hatte, räusperte sich Jean-Luc und trat einen Schritt vor. Als Dienstältestem stand es ihm zu, im Namen der Angestellten zu sprechen. »Sie können sich auf uns verlassen, Monsieur. Wir sind in Gedanken bei Ihnen und wir werden dafür beten, dass Sie die Madame wohlbehalten zu uns zurückbringen.«
    Charles lächelte ihm dankbar zu. In diesem Moment klingelte sein Handy. ›Bureau‹, leuchtete es auf dem Display. Er nahm ab und bedeutete seinen Bediensteten mit einer Handbewegung, dass die Unterredung beendet war. »Oui, Veronique?«, meldete er sich. Sein Blick verdüsterte sich. Es gab heute keine freien Flüge mehr nach Süddeutschland oder in die angrenzende Schweiz. »Gut, dann nehme ich den Wagen«, sagte er und verabschiedete sich von Veronique.
    Jean-Luc hatte das Auto bereits in der Auffahrt geparkt. »Und Sie sind sicher, dass ich Sie nicht fahren soll, Monsieur?«, fragte er. »Es ist eine lange Strecke, und …«
    »Ganz sicher, Jean-Luc. Und machen Sie sich keine Sorgen, ich passe schon auf Ihr Heiligtum auf.«
    Jean-Luc wurde rot. »So habe ich es nicht gemeint, Monsieur, ich …«
    »Schon gut«, lachte Charles und klopfte seinem Chauffeur auf die Schulter. »Bis bald, Jean-Luc, und achten Sie mir gut auf das Haus.«
    Mit diesen Worten setzte sich Charles hinter das Steuer und fuhr über den knirschenden Kies in Richtung Ausfahrt. Das riesige Tor in der imposanten Mauer öffnete sich und Charles fädelte sich in den dichten Verkehr der Uferstraße ein. In Richtung Deutschland. In Richtung der Heimat seiner Frau.
    Es war drei Uhr morgens, als Charles Didier in Überlingen ankam. Die Fahrt war lang und anstrengend gewesen, bis auf eine kurze Pause, bei der er sich in einer einsamen Autobahnraststätte einen doppelten Espresso und ein Croissant gegönnt hatte, war er durchgefahren. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Ob in dieser kleinen Stadt um diese Uhrzeit ein Hotel geöffnet hatte? Charles bezweifelte es und beschloss, es gar nicht erst zu versuchen. Stattdessen lenkte er den Wagen durch die menschenleere Stadt, parkte auf dem großen Parkplatz am Bahnhof Mitte und ging durch den Stadtgraben in Richtung Innenstadt. Zum Glück konnte er deutsch, heimlich hatte er es gelernt, um Marlene zu verstehen, wenn sie wieder einmal schreiend aus dem Schlaf erwachte. Er hatte sie dann in die Arme genommen und getröstet. Ein sehnsüchtiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Wie lange war es her, dass er seine Frau so gehalten hatte. Sie hatte sich schon vor Jahren aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verabschiedet. Er schnarche und dann könne sie nicht schlafen, hatte sie ihren Auszug aus dem Ehebett begründet. Er wusste, dass es ein Vorwand gewesen war, und das verletzte ihn. Aber er konnte dem nichts entgegensetzen. Nie wäre es ihm eingefallen, seine Frau

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