Vergissmichnicht
glauben«, spannte Ole sie noch weiter auf die Folter.
»Jetzt sag schon endlich!«
»Die Frau heißt – oder hieß – Beate Lieber.«
»Ja, und?« Alexandra konnte mit dem Namen nicht das Geringste anfangen. Sie hatte ihn noch nie zuvor gehört.
»Wolfgang Grubers Frau hieß vor ihrer Heirat auch Lieber. Und ihr Vorname ist Beate.«
»Nein!« Alexandra sprang auf. Der Rotwein schwappte aus dem Glas und hinterließ blutrote Flecken auf dem weißen Sofa und auf ihrer weißen Cargohose. »Mist!«, schimpfte sie, zog sich die Hose vom Leib und wischte damit das Sofa.
»Wenn mich der Anblick deines fast nackten Hinterns nicht so anmachen würde, würde ich dich fragen, warum du deine Hose und nicht einen Lappen als Putztuch nimmst«, kommentierte Ole.
»Die Hose ist doch eh schon fleckig, da kann ich auch gleich das Sofa damit putzen. Und einen Lappen zu holen, würde viel zu lange dauern«, argumentierte Alexandra, legte die rotweingetränkte Hose auf den gläsernen Couchtisch, stemmte die Arme in die Hüften und starrte Ole an. »Das kann doch kein Zufall sein!«
»Das denke ich allerdings auch«, schmunzelte Ole.
»Hmmm«, nachdenklich ließ sich Alexandra wieder auf das Sofa sinken und verschränkte die Beine im Schneidersitz. »Irgendwie ergibt das alles trotzdem keinen Sinn. Vor über 30 Jahren wird ein Mann umgebracht. Dessen Verlobte taucht im Zusammenhang mit einem weiteren Mord wieder auf – aber nicht als Tatverdächtige, sondern erst als Ehefrau des Verdächtigen und dann als Arbeitgeberin der vermeintlichen Täterin. Das macht doch alles keinen Sinn.«
»Nicht wirklich«, stimmte Ole ihr zu und nahm nachdenklich einen Schluck Wein. »Es fehlen noch mehrere Puzzleteilchen. Aber ich bin überzeugt, dass Beate Gruber eine Schlüsselfigur ist. Und die verschwundene französische Tochter des Mordopfers auch. Und ich bin ebenso überzeugt, dass Jolanda Noack unschuldig ist.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
St. Tropez
Gegen Mitternacht brach Charles Didier die Suche nach Spuren aus der Vergangenheit seiner Frau frustriert ab. Er hatte unter den verstörten Blicken seiner Dienstboten, deren mehrfach angebotene Hilfe er stets abgelehnt hatte, das Unterste zuoberst gekehrt, hatte in Schmuckkassetten, Unterwäscheschränken und sogar unter dem Bett nachgesehen – vergebens. Kein Brief, kein Zettel, kein Tagebucheintrag, nichts. Was ihn eigentlich auch nicht wirklich wunderte. Marlene hatte mit ihrer Vergangenheit gebrochen und war darin sehr konsequent gewesen. Sie wollte durch nichts und niemanden an die Gräueltaten erinnert werden, die sie damals erlebt hatte. Es war nur logisch, dass da nichts war, was Aufschluss über die Identität des Täters gab. Doch dadurch konnte er ihr nicht helfen. Ihm waren die Hände gebunden und das machte ihn schier wahnsinnig. Das Einzige, was er tun konnte, war, nach Deutschland zu fahren und diesen Polizisten aufzusuchen. Ole Strobehn. Er hatte sich den Namen gemerkt. Und er konnte Marlenes Tochter suchen, Strobehn wusste sicher, wie sie hieß und wo sie wohnte. Vielleicht hatte Marlenes Mutter ihrer Enkeltochter irgendwann alles erzählt. Vielleicht kannte sie Namen. Namen, die die Rettung Marlenes bedeuten konnten. Charles war sich mittlerweile sehr sicher, dass seine Frau sich in den Händen dieses Wahnsinnigen befand. Was wiederum ihn fast in den Wahnsinn trieb. Weil er wusste, wie grausam er sein konnte. Ein zweites Mal, das wusste Charles, würde Marlene, seine geliebte Marlene, das nicht überleben. Er musste sie beschützen. Koste es, was es wolle.
Er blickte sich noch einmal im Schlafzimmer seiner Frau um und stellte zum ersten Mal fest, wie unpersönlich der Raum eingerichtet war. Unpersönlich, aber geschmackvoll. Wie die Suite eines Luxushotels. An den Fenstern bauschten sich cremefarbene Seidenvorhänge, über dem Bett lag, ohne jede Falte, eine cremefarbene Tagesdecke mit Rosenstickerei. Dazu passende Kissen, akkurat geordnet. Ebenso akkurat standen die vielen Tiegel, Tuben und Fläschchen auf Marlenes Schminktisch in Reih und Glied. Zumindest hatten sie das getan, bevor er mit seinen suchenden Fingern durchs Zimmer geirrt war, jetzt war der Schminktisch etwas in Unordnung geraten. Cremedosen, die ewige Schönheit versprachen, standen neben Spezialcremes für eine faltenfreie Augenpartie, Nagellack in allen Farben und mindestens einem Dutzend verschiedener Parfümflaschen.
Ansonsten: nichts. Kein Buch, keine Zeitschrift, kein Foto, kein persönlicher
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