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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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sagte er leise. »Und damit meine ich nicht nur, dass du nicht mehr in den Händen dieser Hexe bist.«
    »Ja«, seufzte Marlene und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich weiß. Du hast viel Geduld mit mir gehabt. Ich danke dir.«
    Charles, mutiger nun, beugte sich herüber und küsste sie unendlich sacht auf die Schläfe.
    Sie blieb an seine Schulter gelehnt stehen, bis die Fähre am Meersburger Ufer anlegte. Hand in Hand ging das Ehepaar nach unten und als sie nebeneinander im Maybach saßen und Charles den Wagen von der Fähre lenkte, legte sie wieder ihren Kopf an seine Schulter und hob ihn auch nicht, als sie über die Uferstraße in Richtung Uhldingen-Mühlhofen fuhren. Hinter Uhldingen nahm Charles die Ausfahrt nach Nußdorf und fuhr dann links unter den Bahngleisen hindurch. Villa reihte sich an Villa, hinter den großen Gärten, die sie von der Straße trennten, waren die Häuser teilweise gar nicht zu sehen.
    »Hier, hier ist es!«, rief Marlene aufgeregt und deutete auf einen schmiedeeisernen, weiß lackierten und sehr hohen Gartenzaun, hinter dem ein großer Magnolienbaum stand. Charles lenkte den Wagen an den Straßenrand, parkte ihn hinter einem dunklen VW-Sharan und sie stiegen aus.
    Rosen standen in voller Blüte und entfalteten einen betörenden Duft, dazwischen leuchteten Lavendel und Rittersporn. »Es hat sich nichts verändert, nicht einmal die Blumen«, sagte Marlene leise.
    Sie drückte vorsichtig die Klinke des mächtigen Gartentors herunter. Es schwang mit einem leisen Quietschen auf. »Komisch, früher war hier immer abgeschlossen«, wunderte sie sich.
    Hand in Hand gingen Marlene und Charles den geschwungenen Kiesweg entlang, bis das weiße Haus hinter einer Reihe von Bäumen und Sträuchern in Sicht kam. Drei Stufen führten zu der rot lackierten Haustüre hinauf, rechts und links des Eingangs leuchteten Vergissmeinnicht in hohen Tontöpfen. Marlene schossen die Tränen in die Augen.
    »Lass uns in den Garten gehen«, flüsterte sie.
    Sie gingen auf glatten, ausgetretenen Platten unter Apfel- und Birnbäumen hindurch in den hinteren Teil des Gartens. Der See lag glitzernd vor ihnen. »Wie habe ich diese Aussicht geliebt. Wie liebe ich sie immer noch.« Marlenes Stimme bebte und Charles drückte stumm ihre Hand. »Sollen wir wieder gehen?«, fragte er leise.
    »Nein.« Marlene schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, dass wir hier sind. Sieh nur.« Sie deutete mit der freien Hand in Richtung Osten. Ganz dicht am See stand ein kleiner Pavillon, von weißen Rosen umrankt. Rechts und links quoll der Rasen vor Vergissmeinnicht über. Und dahinter erhob sich prächtig, schneebedeckt und sonnenbeschienen das Alpenpanorama.
    »Sie hat diese Blumen so geliebt«, sagte Marlene. Sie ließ Charles’ Hand los, ging ein paar Schritte und setzte sich mitten in die blühende Wiese. »Blaue, rosafarbene und sogar weiße Vergissmeinnicht. Ich weiß noch, wie sehr sie sich gefreut hat, als sie die Samen für die weißen und rosafarbenen Vergissmeinnicht entdeckt hat. Und wie sie dann den ersten bunten Vergissmeinnichtstrauß pflückte. Und ich, ich pflücke ihr jetzt auch einen. Für ihr Grab.«
    Eine Träne tropfte auf das Blumenfeld, als Marlene den Stängel der ersten Blume brach.
    »Was machen Sie hier?« Eine blonde junge Frau in Jeans und weißer Bluse war auf die Veranda getreten und starrte, die Hände in die Hüften gestemmt, zu ihnen herüber.
    Marlene sprang auf und hielt den kleinen, dünnen Blumenstrauß fest umklammert. »Stefanie«, flüsterte sie. »Das muss sie sein.«
    »Sind Sie die Eigentümerin?«, rief Charles.
    »Ich … nein, ich … das geht Sie gar nichts an«, sagte die junge Frau verärgert. »Und darf ich fragen, wer Sie sind?«
    Charles ging langsam auf die Frau zu, zu der sich jetzt ein großer, schlanker Mann mit dunklen Haaren gesellt hatte. »Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«, rief auch er.
    »Ich bin Charles Didier«, stellte sich Charles ruhig vor.
    »Didier?«, rief die Frau und es klang wie ein verängstigter Schrei. »Sind Sie …?« Sie blickte Marlene an. »Ist sie …«
    Die beiden Frauen starrten sich in die Augen. Der Moment, vor dem sich Marlene 30 Jahre lang gefürchtet und den sie zugleich herbeigesehnt hatte, war gekommen. Sie hat meine Augen, nicht seine, dachte sie erleichtert. Und dann: Sie sieht ohnehin aus wie ich. Das Böse hat sich nicht durchgesetzt.
    Wie in Trance ging sie auf ihre Tochter zu und streckte langsam und vorsichtig die Hand aus, in der

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