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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Maria Bast
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hart.«
    »Ich will sie nicht hören!«, fuhr Andreas auf.
    Charles legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Bitte, Herr Schwarz. Geben Sie meiner Frau eine Viertelstunde, Ihnen wenigstens die Kurzfassung der Geschichte zu erzählen. Das ist wichtig, für Ihre Frau und für Ihre Familie.«
    Andreas zögerte. »Also gut«, gab er schließlich nach und deutete mit der Hand auf die weiß lackierte Sitzgruppe, die auf der Veranda stand. »Aber nicht länger als eine Viertelstunde.« Er blickte zum Steg hinunter, wo Stefanie immer noch saß. »Ich will sie nicht lange so sitzen lassen.«
    Marlene begann zu erzählen.
    »Mein Gott«, stöhnte Andreas zwanzig Minuten später zutiefst erschüttert. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Es ist schrecklich, was Sie durchgemacht haben. Ich war wirklich anmaßend. Verzeihen Sie bitte«, bat er verzweifelt.
    »Schon gut«, sagte Marlene. »Ich kann verstehen, dass Sie so reagiert haben.« Sie blickte zu ihrer Tochter hinüber, die einige Male unsicher den Kopf gewendet und zu ihnen herübergestarrt hatte. Sie fragte sich sicher, was sie so lange zu besprechen hatten. »Wie viel wollen Sie ihr sagen?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, gestand Andreas. »Das heißt, doch: Irgendwann muss sie die ganze Wahrheit erfahren. Sie kann ihr Leben nicht weiter auf einer Lüge aufbauen. Aber ich will ihr Zeit lassen. Und mich auch mit ihrem Psychologen beraten. Vor allem die Tatsache, dass sie bei einer Vergewaltigung entstanden ist, unmittelbar nachdem ihr Vater einen Menschen ermordet hat, dürfte sie tief treffen. Sie ist sehr sensibel.« Er machte eine hilflose Geste.
    »Auch einen weniger sensiblen Menschen haut eine solche Nachricht um«, bemerkte Charles ruhig.
    »Sicher. Sie haben recht«, sagte Andreas. »Ich … ich muss Sie jetzt leider bitten zu gehen. Ich möchte mich wieder um meine Frau kümmern.«
    »Natürlich«, nickte Marlene rasch. »Aber ich habe noch eine große Frage: Ich … ich habe Enkelkinder?«
    »Ja«, lächelte Andreas. »Nina und Tim.«
    »Wie … wie alt sind sie?«
    »Vier und sechs«, antwortete Andreas.
    »Werden Sie ein gutes Wort für mich bei Ihrer Frau … meiner Tochter einlegen?«, fragte Marlene schüchtern. »Ich … ich würde sie so gern kennenlernen. Meine Tochter. Und meine beiden Enkelchen.« Marlenes Worte waren nur mehr ein Hauch, ein Flüstern, kaum hörbar. Als habe sie Angst, ihre Hoffnung, ihre Sehnsucht in Worte zu kleiden.
    »Sehr gerne, Frau Didier«, gab Andreas lächelnd zurück, beugte sich vor und legte eine Hand auf Marlenes ineinander verschlungene Finger. »Aber ich kann nichts versprechen.«
    »Ich gebe Ihnen meine Visitenkarte.« Charles zog sein silberfarbenes, ziseliertes Etui aus der Tasche und schob seine Karte über den Tisch. »Wir würden uns freuen, wenn Sie sich ab und zu melden. Meine Frau wird wie auf Kohlen sitzen.«
    »Das mache ich«, versprach Andreas. »Und ich werde mein Bestes geben, wirklich.«
    »Andreas?«, sagte Marlene und sah ihn, ohne zu merken, dass sie ihn mit Vornamen ansprach, flehend an.
    »Ja?«
    »Sollte sie mit mir nie mehr Kontakt haben wollen – eines ist mir ganz wichtig. Bitte sagen Sie ihr, dass ich sie liebe.«
    Andreas nickte. »Das verspreche ich Ihnen.«
    Sie verabschiedeten sich mit einem Händedruck. Dann eilte Andreas zurück zum Steg zu seiner Frau. Und Marlene und Charles gingen auf den ausgetretenen Platten zurück zur Straße, zu ihrem Auto. Zurück in ihr altes Leben, das zugleich ein neues war. Ein Leben, das nicht mehr von den Schatten der Vergangenheit diktiert wurde. Die alten Gespenster waren gebannt, die eisernen Ketten, die Marlene gefesselt hatten, zerschnitten. Zum ersten Mal war ihr Blick in die Zukunft gerichtet. Eine Zukunft, die sie an der Seite eines Mannes verbringen würde, den sie schon seit Jahren liebte, dem sie ihre Liebe aber lange Zeit nicht hatte zeigen können. Weil die Schrecken der Vergangenheit sie fest in ihren Klauen gehabt hatten.

Epilog
    »Wann sind wir endlich da?«, quengelte Tim.
    »Gleich, mein Liebling«, versicherte Stefanie und drehte sich lächelnd um. »Seid ihr aufgeregt?«
    »Und wiiiiiieee!«, rief die sechsjährige Nina. »Kommt da auch eine echte Prinzessin?«
    »Natürlich, mein Schatz«, sagte Andreas und blickte in den Rückspiegel. »Und die Oma wohnt in einem echten Schloss.«
    »Schöööööön!« Nina klatschte aufgeregt in ihre Händchen. »Ist dann der Mann von der Oma ein König?«
    »Ein König des guten

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