Vergossene Milch
ekelhaften Tanz nicht aufhören, also versetzte ich Matildes Grammophon einen Fußtritt. Die Platte flog durch die Luft, zerbrach in Scherben auf dem Fußboden, auch der Teller und der Arm des Grammophons flogen hoch. Matilde sah mich sprachlos an, Balbino lief in Trippelschritten los, das Telefon klingelte seit einer Weile, es war Dubosc, der von der Kaserne in Marambaia anrief. Er fragte, wieso ich noch zu Hause sei, ob der Kriegsminister auf dem Weg zur Landzunge sei, womöglich zusammen mit dem Staatspräsidenten Washington Luís. Es war mein Rekord auf der Route Copacabana-Marambaia, anderthalb Stunden Landstraße ohne Zwischenfall, trotz des Regens, der mich auf halber Strecke überraschte. Als ich ankam, traf ich niemanden mehr an, die Verwaltung hatte den Termin wegen des schlechten Wetters abgesagt. Abermals fuhr ich über das Stadtzentrum zurück und kaufte ein Radio-Grammophon RCA Victor, neuestes Modell, und zwei Schuber mit vierundzwanzig Sambaschallplatten. Matilde freute sich wie verrückt über das Geschenk und versöhnte sich mit mir, sie nahm die Dinge nicht so schwer. Aber ein paar Tage später zog sie sich von der Welt zurück, versteckte fortan ihren Körper unter den weiten Kleidern, die Mama ihr vor langer Zeit geschenkt hatte. Und heute ist sie weggegangen, ohne zu sagen, wohin, Matilde war nie eine, die abends weggeht. Deshalb versteht sich, dass ich wie ein Verrückter nach ihr suche, aber das werde ich erst in einer Weile. Es ist merkwürdig, sich an Dinge zu erinnern, die noch nicht stattgefunden haben, ich erinnere mich gerade daran, dass Matilde für immer verschwinden wird.
18
Wenn Sie wüssten , wie ich mich über Ihr Kommen freue, kämen Sie jeden Tag angelaufen. Sie sind die einzige Frau, die mich noch schätzt, ohne Sie würde ich an Entkräftung sterben. Ohne Sie würde man mich als Mittellosen begraben, meine Vergangenheit würde ausgelöscht, niemand würde meine Saga aufzeichnen. Ich spiele hier nicht den Schmeichler, das fehlte gerade noch, mit Krankenschwestern poussieren, ich wiederhole einzig und allein, was ich meinen Anwälten gesagt habe. Ich habe ihnen gerade Anweisungen gegeben, damit Sie nicht ohne etwas dastehen, wenn mir etwas passiert. Was ich noch besitze, werde ich nicht einer Tochter hinterlassen, die mich zwangseingeliefert hat, selbst wenn ich mich nicht bewegen könnte, ginge es mir zu Hause viel besser. Meine Schmerzen waren chronisch, ich konnte schon vorhersagen, wo und wie stark sie auftreten würden. Aber hier habe ich Schmerzen, die ich nicht kenne, wahrscheinlich habe ich eine Krankenhausinfektion. Und wenn man mich früher wegen nichts zur Tomographie geschleppt hat, gibt es jetzt, wo ich bedürftig bin, keinen mehr, der mich untersucht. Wahrscheinlich sind meine Zahlungen nicht auf dem Laufenden, ich höre Gerüchte, dass ich in ein staatliches Krankenhaus verlegt werden soll. In dem Fall werde ich Ihre Hilfe brauchen, Sie kennen doch bestimmt ein etwas ordentlicheres Haus, in Botafogo gab es mal eins von den Karmelitinnen. In traditionellen Häusern öffnet mein Name die Türen, anders als in dieser Spelunke, wo sie uns das Geld aus der Tasche ziehen, ohne zu überprüfen, woher es kommt. Weil nämlich mein Ururenkel mit Drogen handelt, ich glaube, neulich habe ich ihn hier im Fernsehen mit seiner Freundin gesehen, beide mit gesenktem Kopf auf einem Flughafen. Wenn der im Kittchen landet, lässt mich Maria Eulália endgültig im Stich. Weil sie nicht weiß, dass wir noch Besitz haben, wenn sie das wüsste, hätte sie schon alles verscherbelt, so wie sie die Villa, das Chalet, sämtlichen Grundbesitz verscherbelt hat, selbst die Familiengruft hat sie versilbert. Vom Chalet wollte ich mich für kein Geld der Welt trennen, obwohl ich nur zu gut wusste, dass meine Frau endgültig weg war. Aber woanders würde ich vielleicht nicht mehr ihre Seufzer hören, dort im Chalet kam sie mich noch im Traum besuchen. Und ich habe vorgegeben, über die Höhe der Angebote empört zu sein, und die Makler aus dem Haus gejagt, die mich auf Betreiben meiner Tochter belästigt haben. Maria Eulália wollte nicht in den Kopf, dass wir auf einem so wertvollen Grundstück in Copacabana wohnten, uns aber kein Auto, keine Köchin und kein Kindermädchen für Eulalinho leisten konnten. Schon als Halbwüchsige fand sie ein Haus mit Grundstück ziemlich spießig, sie hat ihre Schulkameradinnen beneidet, die in die modernen Hochhäuser mit Art déco-Marmorfassaden in unserem
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