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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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wie üblich zur Arbeit. Aber Mark Derbyshire kam nicht.
    Die tiefen Falten in Howards Gesicht waren noch tiefer geworden. Heute wurde keine »Best Of«-Kassette abgespielt. Stattdessen hatte sich der Sender den ehemaligen Frühstücks-DJ Dave Huckabee geholt, der nun die Lokalnachrichten im Fernsehen sprach. Dave hatte sich bereit erklärt, die Show bis zu Mark Derbyshires Rückkehr zu moderieren.
    Mark Derbyshire war keines Verbrechens beschuldigt worden, aber von dem Augenblick an, als ein anderer sich seine Kopfhörer aufsetzte und in sein Mikrofon sprach, war das nur noch eine Formalität. Ebenso wie Marks Freispruch ganze dreizehn Jahre zuvor. Die Presse interessierte sich ausschließlich für die damalige Anklage und die Demütigung, die darauf gefolgt war: Marks »Absturz«.
    Nathan betrachtete das Zeitungsfoto von Mark und verspürte ein von Schrecken durchsetztes Mitleid. Aber er wusste, er würde Mark eher für immer ins Gefängnis gehen lassen, als zuzulassen, dass er selbst mit Elise Fox’ Verschwinden in Verbindung gebracht wurde.
    Er stellte sich sein eigenes Gesicht in den Zeitungen vor und spürte, wie seine Welt ins Wanken geriet.
    Am nächsten Tag standen zwei Polizisten vor seiner Tür.

10
    Der Mann – er war untersetzt und rothaarig – stellte sich als Kriminalkommissar William Holloway vor. Die Polizeibeamtin Jacki Hadley begleitete ihn.
    Nathan ließ die beiden eintreten.
    Holloway bat um ein Glas Wasser, ging dann zur Kochnische und nahm sich eine Tasse vom Geschirrständer. Die Tasse hatte so lange dort gestanden, dass der Boden schon von einer dünnen Staubschicht überzogen war.
    Die Frau, Hadley, stand am Fenster. Ein Doppeldeckerbus fuhr vorbei. Hadley sah ihm nach. Nathan verstand sie. Es hatte etwas Surreales und Faszinierendes, wenn ein oberes Deck voller selbstvergessener Fremder direkt am eigenen Wohnzimmerfenster vorbeifuhr.
    Holloway trank das Wasser aus.
    »Kann ich mich setzen?«
    »Natürlich.«
    Er nahm sich einen Küchenstuhl. Er war der erste, der darauf saß, seit Sara dort nur mit einem T-Shirt bekleidet das Feuilleton des Guardian gelesen hatte.
    Hadley blieb am Fenster stehen, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und sah zu, wie in unregelmäßigen Abständen Busse vorbeifuhren.
    Nathan setzte sich aufs Sofa, schlug die Beine übereinander und bot Holloway eine Zigarette an. Holloway lehnte ab: »Nicht mehr seit Silvester 1989«, und zog einen Kugelschreiber aus seiner Jacke. »Also, Mr. Redmond.«
    »Nathan.«
    »Also, Nathan. Ich denke, Sie wissen, weshalb wir hier sind.«
    »Wahrscheinlich wegen Marks Party.«
    Holloway zeigte mit dem Kugelschreiber auf ihn, wie um Bingo! zu sagen, und fragte dann: »Um wie viel Uhr sind Sie zur Party gekommen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht um neun. Oder etwas später.«
    »Und um wie viel Uhr sind Sie wieder gegangen?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    Holloway sah ihn prüfend an.
    »Ich hab viel getrunken«, erklärte Nathan. »Ziemlich viel. Eher gesoffen.«
    Zwischen Nathans Schulterblättern hatte sich ein Schweißfleck gebildet.
    »Und während Sie dort waren und gesoffen haben, haben Sie da Elise Fox gesehen oder mit ihr gesprochen?«, fragte Holloway.
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Nicht, dass Sie wüssten?«
    »Ich meine, da waren Millionen von Leuten. Den ganzen Abend sagt man ›Hallo‹ hier und ›Entschuldigung‹ da. Also vielleicht hab ich sogar mit ihr gesprochen. Hallo gesagt oder so.«
    »Sie müssen nicht so nervös werden. Ich hab keinen Hunger.«
    Nathan sah ihn erschrocken an.
    »Ich werde Sie nicht auffressen«, sagte Holloway.
    »Ach so. Haha. Klar.«
    Holloway zog grinsend ein Päckchen Chewits aus der Tasche. Er packte vier Bonbons aus und steckte die Papierchen ordentlich wieder ein. Dann schob er sich die Bonbons in den Mund, alle vier auf einmal, und fragte kauend: »Haben Sie Ihres Wissens – in Anbetracht Ihres hohen Alkoholkonsums formuliere ich das einmal so –, haben Sie Ihres Wissens Elise Fox gesehen?«
    »Nein, meines Wissens nicht.«
    »Ich habe gehört, dass Sie die Party verlassen haben – und dann wieder zurückgekommen sind.«
    »Das stimmt.«
    »Und um wie viel Uhr sind Sie gegangen?«
    »Keine Ahnung. Ziemlich spät.«
    »Nach Mitternacht?«
    »Eher davor, würde ich sagen. Kurz davor. Vielleicht Viertel vor? Aber ich bin nicht sicher. Ich habe …«
    »… viel getrunken, ich weiß. Und was war los?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Warum haben Sie die Party

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