Vergraben
Arbeitsplatte und drückte fest zu.
»Du Armer«, lachte sie. Sie umarmte ihn von hinten, schmiegte ihren nassen, duftenden Kopf an seine Halsbeuge. Er konnte Shampoo und Regen riechen, den schwachen Gestank der Umweltverschmutzung. Sie kniff ihn in den Hintern und gab ihm einen Klaps. »Und was hast du jetzt vor?«
»Ich hab versprochen, mit ihm was trinken zu gehen. Ist das in Ordnung?«
Sie knabberte an seinem Hals. »Klar ist das in Ordnung. Ich wünschte, du würdest öfter mal weggehen, das weißt du. Es ist nur schade, dass dein Sozialleben ausgerechnet mit diesem seltsamen Bob beginnen muss.«
Sie verschränkte die Hände vor der Wölbung seines Bauches. Er war nicht mehr so schlank wie früher. »Tut mir leid. Ist es gemein, so was zu sagen?«
Er tätschelte ihre Handrücken – ein Zeichen, dass sie ihn loslassen sollte. Sie trat einen Schritt zurück und er drehte sich zu ihr um.
»Natürlich nicht. Glaubst du etwa, ich will gerne mit jemandem was trinken gehen, der nach verfaulten Tomaten riecht?«
Sie griff nach ihrem Weinglas.
»Du Armer.«
Er wollte gerade nach oben gehen, als Holly fragte: »Wer ist das Mädchen?«
»Welches Mädchen?«
»Er hat doch gesagt, er hat Probleme mit einer Frau.«
»Ich weiß nicht. Das hat er mir auch nicht verraten.«
»Armer Kerl.«
»Armer Kerl? Gerade eben klang das noch ganz anders.«
»Ich weiß auch nicht. Er muss einsam sein. Wenn er mit seinen Problemen zu dir kommt, obwohl ihr euch fast gar nicht kennt.«
Nathan grunzte vieldeutig und gestikulierte so übertrieben mit den Händen wie ein Hollywood-Mafioso.
Dann ging er an Elises Fotos in der Diele vorbei, die Treppe hinauf und vorbei an Elises Fotos auf dem oberen Treppenabsatz. Er betrat das obere Badezimmer und schaltete das Licht ein. Er schloss die Tür ab und stürzte zur Toilette und übergab sich ausgiebig, aber beinahe lautlos. Er spuckte, bis nur noch grüne Galle herauskam und etwas, das aussah wie Blutstropfen.
24
Am Morgen schlich Nathan sich aus dem Büro und wählte die Nummer, die Bob ihm gegeben hatte. Sie vereinbarten ein Treffen.
Nathan hatte eine zweite Anzugjacke über seiner Stuhllehne hängen lassen – das sollte heißen, dass er noch im Gebäude war, aber nicht an seinem Platz, sondern vielleicht in einer Besprechung oder auf dem Weg zum Postzimmer.
Er ging zur Hauptstraße und hielt ein Taxi an. Die Fahrt zu Bobs Haus dauerte keine fünfzehn Minuten. Bob und er wohnten in derselben Stadt. Sie hatten dieselben Busse vorbeifahren sehen, hatten vielleicht in denselben Läden eingekauft, dieselben Filme in denselben Kinos gesehen. Vielleicht zur selben Zeit.
Das Taxi setzte ihn an der Ecke ab. Es war eine Straße mit heruntergekommenen viktorianischen Villen, die längst in einzelne Wohnungen aufgeteilt worden waren. Nathan ging durch einen überwucherten Vorgarten auf ein vierstöckiges Haus zu. Er trat auf die abgenutzte steinerne Schwelle und las die verblichenen Papierstreifen neben den Klingeln. Bei »Morrow« war die Tinte fast zur Unleserlichkeit verblasst.
Er drückte die Klingel und zündete sich eine Zigarette an, während er wartete.
Schließlich öffnete sich die große Tür, von der die Farbe abblätterte, und Bob ließ ihn hinein. Der Flur war schmutzig und staubig und mit grauem Teppich ausgelegt. Der aus einem Melamin-Bücherregal improvisierte Kasten hinter dem Briefschlitz enthielt eine Lawine von Rechnungen und Werbesendungen. Ein Fahrrad lehnte an der zweifarbigen Wand, ebenso wie ein leerer Plastik-Wäschekorb und ein alter Klapptisch. Nathan folgte Bob durch den Flur hinunter ins Souterrain, wo dieser ein einziges spärlich beleuchtetes Zimmer bewohnte.
Es war groß und quadratisch und die Wände waren mit alten Büchern voll gestellt. Ein Computernetzwerk stand auf ein paar Tischen aus einem Trödelladen: drei ältere Laptops und vier oder fünf Desktop-Computer, zwei davon nagelneu, von Dell. Daneben stand ein Tonbandgerät.
Moderige Sofas bildeten drei Seiten eines Quadrats. In der Kochnische entdeckte Nathan neben dem Kühlschrank einen steifen, zusammengerollten Tennissocken.
Es stank hier drin.
Bob schob Zeitschriften und einen fadenscheinigen Pullover von einem der Sofas und forderte Nathan auf, sich zu setzen.
»Kaffee?«
»Nein.«
»Okay.«
Nathan wartete, während Bob Wasser kochte und sich eine große Tasse schwarzen Nescafé machte. Dann ließ Bob sich auf einem Sofa gegenüber von Nathan nieder und fragte: »Na, wie ist es dir
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