Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
behalten. Er hat nicht gerade jetzt mit dieser Entwicklung gerechnet, sondern geglaubt, er würde darauf vorbereitet sein. Wie zum Teufel haben sie ihn gefunden?
Er weiß genau, wie es ablaufen wird. Zunächst werden sie versuchen, Zeit zu gewinnen, indem sie ihm Fragen stellen. Dann endlich, wenn er ihnen seine Forderung mitgeteilt hat, werden sie behaupten, dass sie mehr Zeit benötigen. Währenddessen lauern ihre Scharfschützen darauf, den finalen Todesschuss abzugeben. Er wird ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.
Der Spalt am Fenster muss geschlossen werden, auch wenn sich Ben nicht in der direkten Schusslinie aufhält.
Als er
Es drei
näher an sich zieht, spürt er den Sog, der ihn vor Jahren erfasst hat. Die Kraft, mit der er gefangen ist in einer Spirale, die zudem seit einiger Zeit rotiert, immer schneller.
Sag es
, rasselt die Klapperschlange.
Gib es zu. Seit dem ersten Mord. Dir gefällt das doch, du wolltest es schneller und schneller, obwohl du genau wusstest, wohin es führt. Die Brandstiftungen all die Jahre über haben dir nicht mehr gereicht. All die toten Tiere in den Ställen
.
Es ist seit jeher unmöglich gewesen, sich dieser Kraft zu entziehen. Was hat das Leben ihm für eine andere Chance gelassen? In allem, was er je getan hat, hat er sich nur Notwendigkeiten gebeugt. Er schmeckt das bittere Aroma der Erfahrung, dass eine Auflehnung gegen den Lauf des Schicksals die niederschmetternde Wirklichkeit nicht um einen Deut verändert.
„Sind Sie mein Verhandlungspartner?“ Er ruft laut und rutscht näher an
Es eins
und
zwei
heran, bis er sich – die Wand im Rücken – von den übrigen drei Seiten eingehüllt fühlt wie in einen Kokon.
„Ja. Mein Name ist Narsimha Mishra. Wer sind Sie?“
Vertrauen aufbauen, eine persönliche Grundlage schaffen. Er selbst wird derjenige sein, der erst einmal Zeit schindet, auch wenn er den anderen in die Karten spielt und ihnen Gelegenheit gibt, ihre Vorbereitungen zu treffen.
„Das erfahren Sie früh genug.“
Das Spiel nähert sich dem Ende. So wie die Nacht hereingebrochen ist, neigt sich sein Leben zur Neige, ohne einen glanzvollen Sonnenuntergang an den Himmel gezeichnet zu haben. Aber er wird nicht allein gehen.
Er löst die Handfesseln von
Es zwei
, schneidet Kabelbinder und Stricke durch, bis auf den um den Knöchel. Er gibt i
hm
einen Tritt.
„Steh auf und tu, was ich dir sage.“
Es zwei
reagiert nicht, starrt ihn nur aus weit aufgerissenen Augen an.
Ben legt ein samtiges Schmeicheln in die Stimme und ein Lächeln aufs Gesicht. „Hast du Savoy und Nasya schon vergessen?“
Wie erwartet keucht
Es zwei
auf. Seine Gesichtsfarbe wechselt von weiß zu grau, dafür kommt Leben in seine Bewegungen.
Es
versucht hektisch, aufzuspringen.
Ben reißt an dem Seil, das den Fußknöchel weiterhin umfangen hält. „Langsam!“ Er wartet, bis
Es
sich gefangen hat. „Geh ans Fenster. Nimm das hier mit.“ Er zieht das Kettchen aus der Hose und wirft es
ihm
vor die Füße. Dann lässt er das Seil etwas nach, sodass
Es
dem Befehl folgen kann.
„Nicht schießen“, dröhnt die Stimme seines Verhandlungspartners von draußen.
Ganz wie erwartet muss der Typ gleich neben dem Fenster Position bezogen haben.
Ben rutscht noch weiter zurück und zieht
Es drei
mit.
Es eins
ist offenbar wieder ins Land der Träume abgedriftet und bekommt nicht mit, wie er
Es
an den Klamotten erneut neben sich zerrt.
Es zwei
stiert bewegungslos vor sich hin.
„Aufheben!“
Es
braucht mehrere Versuche, das Kettchen aufzuheben, weil seine Finger zittern, als hätte
Es
Parkinson.
„Pack den Anhänger, verdammt!“
Endlich gelingt es. Er muss etwas mehr Seil geben, damit
Es zwei
bis ans Fenster herantreten kann.
„Na los, wirf es hinaus!“ Etwas lauter fügt er hinzu: „
Es
wird etwas hinauswerfen. Wenn ihr ballert, ihr Idioten, seid ihr selbst schuld!“
Es
lehnt schlotternd an der Wand neben dem Fenster. Bens Geduld neigt sich dem Ende. „Mach schon!“, brüllt er.
Es
schiebt im Schneckentempo seinen Arm durch den Spalt.
„Lass es fallen.“ Er hört ein leises Klimpern auf den Holzdielen und reißt abrupt am Seil.
Es
stolpert und fällt.
„Steh auf und schieb das Sofa so, dass der Spalt geschlossen ist.“
Es
gehorcht. Er zieht
Es
näher, zwingt es auf den Boden, bis sein Kokon sich wieder schließt.
„Hast du die Kette aufgehoben?“
„Ja“, antwortet sein Verhandlungspartner ruhig. „Was sollen wir damit?“
„Klapp den Anhänger auf.“
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