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Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll

Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll

Titel: Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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unverhofften Zustimmung auch Alana und Nate darauf bestehen würden, mitzukommen, doch auch hier traf sie eine Überraschung. Die beiden kamen auf sie zu und wirkten nicht, als wollten sie ebenfalls diese Forderung stellen. Ihre Gesichtszüge zeigten Anspannung. Reese spürte über das drahtseildicke Band, dass ihre Schwester ganz ohne Zureden wusste, dass sie als Eltern fehl am Einsatzort waren und ihre Emotionalität nicht auf die Einsatzkräfte abfärben durfte.
    „Bring unsere Tochter nach Hause“, flüsterte Alana.
    Reese brachte keinen Ton über die Lippen, bekam nur nur ein schwaches Nicken zustande. Auch wenn ein Außenstehender glauben könnte, mit „unsere Tochter“ wäre gemeint gewesen: „Nates und meine Tochter“, sie wusste es besser. Alana meinte „ihre und Reeses“ Tochter.
    Sie schluckte Tränen. So viel zum Thema Emotionalität.

    Simba schloss für einen Moment die Augen. Wie konnte ein Mensch eine solche Wirkung abstrahlen? Kalt wie ein Fisch. Derart offensichtlich und intensiv wie bei Sally Ogan, mit einer Gegensätzlichkeit wie Tag und Nacht versehen, hatte er das nie erlebt. Er hatte ihre Stimme bei der Probe im Hotel gehört. Ihr weicher Mezzosopran trug Gefühle beinahe greifbar durch die Luft, verursachte Gänsehautfeeling pur. Stand man Sally allerdings gegenüber, kehrte sich der Eindruck abrupt ins Gegenteil. Diese Frau erschien wie innerlich tot. Eine unterkühlte Hülle, aus der nicht einmal die blauen Augen einen Glanz abstrahlten.
    Wie sehr sie sich von Reese unterschied. Ihre grünen Iriden sprühten elektrische Funken oder hüllten ihn in ein weiches Nest aus Moos. Mochte ihre Stimme auch nicht vor Melancholie beben, sich spürbar um den Körper legen wie eine Membran, dafür hörte er aus und an ihren Worten, was sie für ihn empfand und das erfüllte sein Herz mit einem ganz anderen Prickeln als dieses Gänsehautschaudern. Überhaupt, er hasste Schwermut und Trübsinn und diese Ausstrahlung haftete Sally Ogan an wie das Analdrüsensekret eines Skunks.
    Sie zu finden hatte sich als nicht weiter schwierig erwiesen, nachdem Wade an dem Kettchen geschnüffelt hatte. Kein Wunder. Zielstrebig hatte er dem Piloten Anweisung gegeben und sie nach Long Beach in das richtige Hotel geführt.
    Hatte Simba zunächst gehofft, dass die Frau ihnen freiwillig ihre Unterstützung anbieten würde, sah er sich nun deutlich irritiert. Rigoros, regelrecht brüsk, lehnte sie es ab, sie zu begleiten. Wenn es ihr schon sonstwo vorbeiging, dass es sich um ihren Bruder handelte, wie konnte sie einfach eiskalt an sich abprallen lassen, dass das Wohlergehen von drei jungen Frauen von ihrer Mithilfe abhing? Niemand hatte von ihr verlangt, dass sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen sollte, zur Hölle. Im Gegenteil. Er hatte mehrfach versucht, ihr zu erklären, dass der Schutz ihrer Person absoluten Vorrang genießen würde. Selbstverständlich würde man sie nicht in die Hütte gehen lassen und die Pest gegen Cholera eintauschen. Aber die Argumente interessierten sie nicht.
    „Ich habe keinen Bruder mehr.“
    Nicht einmal Trotz, Wut oder Hass ließen sich aus ihren Zügen ablesen – ihr Gesicht wirkte wie das einer Figur aus dem Wachsfigurenkabinett, dem der Künstler vergessen hatte, eine Emotion ins Antlitz zu modellieren.
    Zu viel geweint, zu viel Angst. Sie fühlt sich so allein
.
    Kinderherzen, zerbrechlich wie Glas!
    Kinderaugen, wem macht so was wohl Spaß? *
    Eine ganz andere Art von Gänsehaut rollte ihm die Zehennägel auf. Bhenchod! Wie war der Text ihres Songs weitergegangen? Verdammt, verdammt, er musste sich erinnern.
    Es öffnet sich die Türe, lautlos, voller Gier
.
    Verschwitzter Leib, Geilheit pur, kein Mensch mehr, nur noch Tier. *
    Eine eisige Faust umklammerte sein Herz.
    Ich habe keinen Bruder mehr
.
    Kindesmissbrauch. Inzucht? Hatte Ben Ogan sich an seiner Schwester vergangen? An beiden Mädchen?
    Simba betrachtete Sallys schmale Gestalt, ihr verschlossenes Gesicht. Die Faust in seinem Leib zog sich noch fester zusammen. Trotz der Kälte und Unnahbarkeit, die Sally ausstrahlte, wäre er am liebsten auf sie zugegangen und hätte sie in die Arme gezogen. Diese Frau brauchte Hilfe. Nicht erst jetzt, sondern wahrscheinlich schon seit vielen Jahren.
    Trotzdem musste er eine Lösung finden und sie dazu bringen, ihn zu begleiten. Er würde alles tun, um ihr anschließend zu helfen – wenn sie es zuließe. Sie wirkte nicht wie jemand, der nach der Hand griff, die man ihr reichte.

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