Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
zuständigen Detectives erreichte sie nicht, darum hinterließ sie ihre Mobilfunknummer.
Als sie endlich in das lange Wochenende startete, war es beinahe elf Uhr. Sie hielt an einer Bäckerei und kaufte einen noch dampfenden Bagel und einen Donut. Zu Hause würde sie sich eine Tasse starken Kaffee brühen, sich genüsslich in die Wanne legen, und währenddessen ihr Frühstück vertilgen. Damit sie nicht einschliefe, wollte sie Alana anrufen. Das fröhliche Geplapper ließe ihr keine Sekunde Zeit, die Augen zu schließen und mit den Gedanken abzudriften. Nicht einmal zu Narsimha Mishra.
Wie dringend das vonnöten war, bemerkte sie, als hinter ihr Gehupe einsetzte und sie erschreckt das Gaspedal durchtrat, um nicht noch länger vor der mittlerweile grünen Ampel zu stehen. Sie sollte sich besser konzentrieren, wollte sie nicht in Windeseile unfreiwillig an ihren Arbeitsplatz zurück.
Das Thema, an das sie ersatzweise dachte, behagte ihr noch weniger. Sie sah immer wieder das Klapperschlangen-Tattoo. Warum assoziierte man eigentlich mit einer Schlange automatisch das Böse? Immerhin konnte das arme Tier im Paradies damals nichts dafür, vom Teufel als Sprachrohr benutzt worden zu sein, doch der Anblick des Tattoos war nicht der Grund, warum sie John Smith nicht mochte. Er strahlte irgendetwas aus, sogar in bewusstlosem Zustand, dass ihr das Blut in den Adern gefror. Sie hatte ihn nur zwei Mal wach gesehen. Wortlos hatte er die Untersuchung über sich ergehen lassen, ihre Blicke nicht erwidert, keine Frage beantwortet, sondern sich demonstrativ abgewandt. Obwohl er noch sehr mitgenommen wirkte, glaubte sie nicht, dass er unter Amnesie oder anderen durch die Gehirnquetschung verursachten Folgen litt. Der Mann hatte etwas zu verbergen und wusste genau, dass er nur durch Schweigen Nachfragen entging. Weil die Polizei keine Handhabe gegen ihn hatte, konnte man ihn schlecht einfach verhaften. Außerdem hätte ein von seinem Verteidiger eingeschalteter Mediziner sofort Zetermordio geschrien, der Patient sei auf keinen Fall vernehmungsfähig. In jedem anderen Fall hätte sie das bedenkenlos unterstützt.
Als sie den Wagen in Richtung Tiefgarage ihres Apartmenthauses steuerte, fiel ihr ein Streifenwagen auf, der neben der Zufahrt parkte. Zwei Polizisten winkten ihr zu. Garantiert waren das die beiden Officers, die mehrfach auf der Station gewesen waren, um sich nach dem Befinden von John Smith zu erkundigen und ihn zu vernehmen. Hatte man sie nach ihrem Anruf also informiert und sie hielten ihre Aussage für bedeutsamer, als Reese dem gelangweilten Ton des Beamten am Telefon entnommen hatte? Sie fuhr mit dem Aufzug ins Foyer und ging hinaus auf die Straße. Die Polizisten sahen sie und kamen auf sie zu.
„Guten Morgen, Dr. Little.“
Sie erinnerte sich an den Namen des Mannes. „Hi Detective McGee.“ Den anderen kannte sie doch nicht und nickte ihm nur zu.
„Mein Kollege Detective Vega.“
Reese ging den Männern voran in die Halle zurück und steuerte den Lift an. Die Polizei schien mittlerweile doch härtere Geschütze aufzufahren. „Ich nehme an, Sie möchten Details zum Verschwinden von John Smith hören?“
„Ja.“
„Ich kann Ihnen alles auf dem Weg in mein Apartment erzählen, weil es bedauerlicherweise nicht viel zu sagen gibt.“ Sie drückte auf die Fünf.
„Legen Sie los.“
„Als ich heute früh mit Dr. Mills die Runde machte, berichtete Smiths Bettnachbar Hicks, der Mann sei seit einer halben Stunde auf der Toilette. Als wir nachschauten, fanden wir das Bad leer vor, das Fenster geöffnet. In der Nacht hat Smith ihm Kleidung und den Geldbeutel entwendet. Hicks hat aus Furcht vor Smith geschwiegen.“
„Das ist alles?“
„Ja.“
„Hat sich Smith seit unserem letzten Besuch zu irgendetwas geäußert?“
„Nein, er war stumm wie ein Fisch.“
„Sind Ihnen Besonderheiten aufgefallen?“
„In welcher Form?“
„Narben, besondere Kennzeichen. Irgendetwas, das uns bei der Fahndung helfen kann.“
„Liegt mittlerweile ein Vorwurf an?“ Hatte sie es doch gewusst. „Bringen Sie ihn mit dem Chatroom-Killer in Verbindung?“
„Wir dürfen zum Stand der Ermittlungen keine Aussagen treffen.“
„Nun“, Reese trat aus der Fahrstuhlkabine und ging den Flur zu ihrem Apartment entlang, „John Smith hat eine außerge-wöhnliche Tätowierung. Sie werden sie jedoch kaum bemerken, wenn sie dem Mann gegenüberstehen.“ Sie beschrieb die gespaltene Zunge und die Rassel, die sich von hinten um
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