Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
aufgesucht. Der Greis spielte ein falsches Spiel und verheimlichte etwas. Damit, wie lukrativ die krummen Geschäfte sein mussten, hielt er allerdings nicht hinter dem Berg. Seine neu gebaute Villa spiegelte ungeniert den krassen Gegensatz zwischen arm und reich, wie man es in Indien häufig sah. Doch nicht nur der plötzliche Wohlstand hatte Simba aufmerksam werden lassen, das ganze Dorf erstarrte in Angst, als sie ihn sahen. Sie hatten sich schon immer vor ihm zurückgezogen, nur niemals derart panisch. Das Ausfahren der Krallen hatte ausgereicht, den kreischenden Alten zum Sprechen zu bewegen. Er hatte Informationen an Rebellen verkauft. Zeichnungen und Berichte der Dorfbewohner über Simbas Andersartigkeit. Die Aufständischen sahen in ihm eine Bereicherung ihrer Truppe und hatten Nani-ji in ihre Gewalt gebracht, um Simba zu erpressen und ihn zu zwingen, sich ihnen anzuschließen. Die Drohung hatte ihn nicht mehr erreicht, nur einen seiner Kommilitonen. Das erfuhr Simba aber erst viel später, weil er zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg von Mumbai zu Nani-ji gewesen war. Zwischen ihm und den Rebellen entbrannte ein Kampf, der sich über Wochen in den Wäldern abspielte und endete, als er Nani-jis verkohlte Leiche in der Asche der ausgebrannten Lichtung fand, wo ihre letzte Wohnstätte gelegen hatte.
Blind vor Wut und Tränen kehrte er in das Dorf zurück mit der Absicht, zu morden und zu brandschatzen und furchtbare Rache zu nehmen. Er brachte es nicht über sich, stattdessen wollte er sich das Leben nehmen. Da tauchte Max im Dorf auf.
Der Wagen hielt mit einem Ruck, die Bilder verschwanden wie beim Zuschlagen einer Klappe. Reese suchte seinen Blick.
„Ich brauche fünf Minuten, um mit Chris zu reden. Warte hier“, wies sie ihn an.
Erst jetzt realisierte er, dass sie bereits am Krankenhaus angekommen waren. „Was ist mit der Dodgers-Karte?“
Reese wedelte mit einem Stück Papier. „Schon besorgt.“ Sie winkte ihm zu.
Ein wohlbekanntes Flattern – beinahe schon vertraut – zog durch seine Brust, weit über den Punkt hinaus, da Reese seinem Blickfeld entschwand. Er lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Wäre es ein anderes Leben, eine andere Gelegenheit, er wüsste, dass er hier und jetzt zugreifen müsste, um das Glück nicht durch die Finger rinnen zu lassen. Aber er steckte in diesem Leben fest, daran änderte niemand etwas.
Montag, 26. September, Los Angeles
I hr habt was getan?“ Max schnappte nach Luft und ließ sich auf seinen abgewetzten Bürostuhl fallen. Die Luft in dem kleinen Büroraum, in den sie sich zu acht quetschten, schien sich um einige Grad aufzuheizen. „Seid ihr des Teufels?“ „Sein Gesicht nahm eine aschgraue Farbe an. Er stützte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und raufte sich das Haar. Mucksmäuschenstille herrschte. Seth, Virgin und Jay-Eff blickten betreten zur Seite. Sie wussten wie Max erst seit wenigen Minuten von den Bluttests.
„Aber …“ Simba kam sich nicht wie zweiunddreißig vor, sondern wie ein kleiner Junge, der vor seinem Lehrer steht und einen Widerspruch anbringen will. Er fühlte sich lächerlich und verstummte.
„Es ist meine Schuld. Ich hätte euch einweihen sollen. Es gibt einen Grund, warum ich nicht wollte, dass ihr zu einem Arzt geht.“ Max stand auf und wanderte von seinem Schreibtisch bis ans Bücherregal und zurück. Diesen kurzen Parcours nahm er immer auf, wenn sein Gehirn schneller arbeitete, als er sprechen konnte. „Ihr habt alle die Blutgruppe AB negativ, die ihr euch mit etwa einem Prozent der Weltbevölkerung teilt. Glaubt ihr nicht, es fällt auf, wenn sich vier Männer gleichzeitig untersuchen lassen und diese seltene Blutgruppe haben? Wir können keine Neugierigen gebrauchen! In jedem ambitionierten Arzt und in jeder Laborratte steckt ein Wissenschaftler. Es wird ihnen auf der Seele brennen, ein Rätsel zu finden und es zu lüften, verdammt!“
„Warum haben wir alle die gleiche Blutgruppe?“ Es waren Hunderte Männer und Frauen aus aller Herren Länder und aller Rassen gewesen, an denen die Genpfuscher während des Zweiten Weltkriegs herumexperimentiert hatten. An seinen Großeltern mütterlicherseits, zumindest einem von ihnen. Die Mutation wirkte sich erst in der zweiten Generation der Nachfahren aus. An keinem Elternteil war eine Veränderung aufgetreten, auch nicht bei den Eltern der anderen Jungs. Deshalb hatte Max auch keine Gabe. Er war ein Kind direkt Betroffener, eine Generation älter als sie
Weitere Kostenlose Bücher