Verhängnisvolles Gold
sagen?«
Sie seufzt. »Ich weiß nicht. Wie sagst du einem Kerl wie Keith, dass du ein Wertiger bist und dass er mit dem Krankenwagen durch die Gegend fahren soll, damit du Elfen jagen kannst?«
»Du sagst es ihm einfach«, schlage ich vor. Ich reiße mich vom Computer los und schaue sie an. »Und dann zeigst du dich ihm.«
Ihre Miene wird ganz verschlossen und sie sieht auf einmal sehr zerbrechlich und alt aus … und sehr menschlich.
»Du bist sehr menschlich, Gram.«
Sie lächelt. »Und das sagst du, obwohl du meine Pranken und meine Zähne gesehen hast?«
»Ja.« Ich tue so, als würde es mich schaudern, und zitiere spöttisch: »Warum hast du so große Zähne, Großmutter?«
»Damit ich sie besser fressen kann, die Elfen!«, spielt sie lächelnd mit. Dann beugt sie sich zu mir herunter und küsst mich auf den Kopf. Dabei murmelt sie so leise, dass ich sie kaum hören kann: »Du bist auch sehr menschlich.«
»Das will ich schwer hoffen.«
Sie räuspert sich. »Wie wär’s, wenn ich uns was zum Abendessen brutzle, bevor meine Schicht losgeht?«
Ende der Unterhaltung.
In Maine tauchte ein vermisster Junge nach über zwei Wochen lebend wieder auf, aber er hat schwere Verletzungen erlitten und leidet an Gedächtnisverlust. Die Eltern der anderen vermissten Kinder erhoffen sich nun auch einen ähnlich guten Ausgang.
– NEWS CHANNEL 8
Ein Geräusch schreckt mich aus meinem superlangen Mittagsschlaf auf der Couch auf. Stöhnend strecke ich mich. Jemand klopft an die Tür. Die Sonne ist untergegangen und die Uhr zeigt sieben. Sogar am frühen Abend hat man den Eindruck, in einer ausgestorbenen Geisterstadt zu leben. Die Straßen führen um dunkle Kurven und an den Rändern drängen sich Bäume. Der Schnee reflektiert das Mondlicht wie ein stiller weißer Spiegel. Ich spähe aus dem Fenster, und denke einen Augenblick lang, dass es Nick ist. Aber das ist unmöglich.
Als ich die Tür öffne, streckt Astley mir im Dunkeln einfach die Hand entgegen. Ich nehme sie und trete wie hypnotisiert nach draußen. Es stört mich nicht einmal, dass ich dieses übergroße L. L.Bean-Sweatshirt und die Häschen-Pyjamahose von Is trage. Ich gehe einfach mit ihm in die eisige Kälte. Etwas in den dunklen Bäumen am Ende unseres Rasens lässt mich zusammenfahren. Mein Fuß rutscht auf dem Schnee aus. Alles könnte dort draußen sein.
»Betty duscht«, flüstere ich. »Was machst du hier? Hast du diesen Frank gesehen? Oder meinen Vater? Lauern sie da draußen?«
»Nein, hab ich nicht.« Er räuspert sich umständlich. »Von deinem Vater fehlt jede Spur.«
Wahrscheinlich habe ich die Luft angehalten, denn jetzt kommt alles in einem großen Atemstrom auf einmal aus meinem Mund. Ich weiß nicht, ob ich traurig bin, dass er verschwunden oder vielleicht sogar tot ist, oder erleichtert oder verängstigt oder was. Meine Gefühle ihm gegenüber sind völlig durcheinander. Er war manipulativ und schwach, aber er bemühte sich so sehr, gut zu sein. Er ließ meine Mom entkommen, ohne sie zu verwandeln. Ich weiß, dass er sie entkommen ließ.
Astley wartet einen Augenblick schweigend. Vielleicht merkt er, dass ich versuche, meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Er schaut zum Haus und tritt noch einen Schritt von der Tür zurück. »Ich möchte dir unser Volk vorstellen.«
»Unser Volk?«, sage ich, während sich seine Finger fester um meine schließen. Die Welt scheint sich in ihrer Achse zu verschieben, sodass ich mich noch verwirrter fühle als zuvor. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich …«
»Du bist unsere Königin, Zara. Es wird Zeit, dass du deine Elfen kennenlernst.« Er schlingt den anderen Arm um meine Taille. »Wir fliegen.«
»Wir müssen uns beeilen. Betty wird …«
Er nickt. »Ich weiß.«
Fliegen ist kalt und geht schnell. Wir schießen über die Baumwipfel hinweg durch die Schneeflocken hindurch. Seit Tagen schneit es leicht, und es hat immer noch nicht aufgehört. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht daran, dass es jemals wieder aufhören wird. Ich sehne mich nach den warmen Straßen und der hellen Sonne von Charleston, meiner alten Heimat. Fast kann ich die Blumen riechen und die Weihnachtssterne sehen, die alle Anwohner der Promenade an Weihnachten aufstellen, und die hellen weißen Lichter in den Säulengängen. Damals war das Leben so leicht und einfach. Ich schiebe die Sehnsucht beiseite. Unter uns durchschneiden Straßen die Wälder und Schneepflüge machen emsig den Weg frei für Menschen und
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